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Stefan Aust nennt den "Tatort: Der rote Schatten" vom Sonntag "gefährlichen Unsinn".

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"Tatort: Der rote Schatten": Propaganda für die RAF?

Widerspruch zu Stefan Aust und der "Tatort"-Verschwörungstheorie zum Mord in Stammheim. Ein Kommentar.

Was geschah in der Nacht zum 18. Oktober 1977 in Stammheim? Nahmen sich Andreas Baader, Jan-Carl Raspe und Gudrun Ensslin das Leben oder wurden die Terroristen der „Roten Armee Fraktion“ (RAF) ermordet? Der „Tatort: Der Rote Schatten“ von Dominik Graf mit sehr guter Zuschauerresonanz (9,27 Millionen) nimmt beide Versionen auf, wobei er die Mordthese mit ungleich größerer Verve traktiert.

Stefan Aust, Herausgeber von „WeltN24“ und Autor des Standardwerks „Der Baader-Meinhof-Komplex“, nennt das „gefährlichen Unsinn“ und „RAF-Propaganda“. Es gebe keine ernst zu nehmenden Zweifel, dass es Selbstmord gewesen sei. Doch, es gibt sie, diese Zweifel. Dass sie existieren, zeigt an, dass beileibe nicht nur rechte, sondern auch linke Verschwörungstheorien durch die Köpfe geistern. Das ist die eine Lehre aus dem „Tatort“, eine zweite, dass Geschichte nicht vergeht. Zur Todesnacht zu Stammheim liegen längst, wie auch Aust einräumt, nicht alle Fakten auf dem Tisch. Noch immer würden Akten dazu geheim gehalten, Aussagen verweigert oder sogar verboten.

Mehr Wahrheit!

Idealer Nährboden für Fiktionen wie jene von Dominik Graf. Die Justiz verfügt über massive Mittel zur Aufklärung, weshalb schon die Frage berechtigt ist, warum bei RAF, NSU und jüngst im Fall Anis Amri die Aufdeckungsarbeit mit einer Vertuschungsstrategie einhergeht. Der „gute“ Staat macht keine Fehler? Das wird, das muss auch keiner annehmen.

Die Nacht von Stammheim: Dominik Graf zeigt sie im übertriebenen Doku-Fiktion-Stil, der Selbstmord- und Mordthese parallelisiert und sich dabei den Vorteil nimmt, den Mord durch eine geheime Truppe in eine schockierende Inszenierung zu übersetzen. Bilder statt Beweise – das hat einen Nachhall, klar. Aber sie bleiben Fake News in dem Sinne, dass sie eine Annahme als Gewissheit verkleiden. „Gefährlicher Unsinn“? Vielmehr die immanente Herausforderung, die bislang überzeugendste Wahrheitssuche – Selbstmord der RAF-Terroristen – weiter und weiter zu treiben. Da ist Stefan Aust mehr herausgefordert als Dominik Graf.

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