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Mehr „Tatort“-Ikonografie geht nicht. Reisepass und Jacke von Kommissar Horst Schimanski in der Berliner Ausstellung.

© dpa

"Tatort" in der Kinemathek: Sonntagsmörder

Steckt das alles in Schimis Schmuddeljacke? „1000 Tatorte. Alle Filme. Alle Fälle“, eine Ausstellung in der Deutschen Kinemathek in Berlin.

Endlich mal eine inquisitorische Frage, auf die es eine klare und ehrliche Antwort gibt: „Was haben Sie zwischen 1981 und 1991 gemacht?“ Meine Antwort: „Ich habe Schimanski geguckt.“ Ich war es nicht alleine, es waren Millionen, viele Millionen. „Schimi“ war Pflicht, war televisionärer Aufbruch in einer sich mehr und mehr verkarstenden Bundesrepublik. „Schimi“ war Götz George, sein Schmuddelfahnder war viril, von extremer Körperlichkeit, einer, der auf seine Weise für das Gerechte kämpfte und doch auch im Schlagschatten der Gerechtigkeit hätte landen können.

Steckt das alles in der Schmuddeljacke? Ein Exemplar, leicht blutverschmiert, liegt im Filmhaus am Potsdamer Platz in Berlin, in der Ausstellung „1000 Tatorte. Alle Filme. Alle Fälle“ der Mediathek Fernsehen des Museums für Film und Fernsehen. In einer Vitrine mit Pass und Screenshot aus der „Schimanski“-Folge „Zahn um Zahn“. Mehr Museum, mehr Musealisierung geht kaum. Aber so ist das, wenn ein TV-Format bald 1000 Folgen und 46 Jahre im ARD-Fernsehen gelaufen sein wird.

Ein immenses, weit über das Medium hinausragendes Thema, das nur durch einen entschlossenen Aufriss im Zaum gehalten werden kann. Das passiert hier, in der Mediathek Fernsehen. Kuratorin Klaudia Wick und ihr Team strukturieren tausend „Tatorte“ auf zwei Ebenen. Da ist die sinnliche Anschauung der „Schimi“-Jacke wie der „Goldenen Schallplatte“ für Songs der Hamburger Kommissare alias Manfred Krug und Charles Brauer; da zeigen die Figurenbibel von Autor Wolfgang Menge für den „Tatort: Kressin und der tote Mann im Fleet“ wie Szenenbild-Entwürfe für den anstehenden Impro-„Tatort: Babbeldasch“, welche Detailgenauigkeit in 90 Minuten Krimi steckt.

Was sie können, wenn sie wollen

Und dann sind da die tausend Produktionen seit 1970. Die Schau ordnet das gewaltige Volumen in Jahrzehnte und reflektiert in sechs Kapiteln die durchgängige Entwicklung und entscheidende Schwerpunktverlagerungen, als immer mehr Gesellschaftsthemen zu Fällen werden, verknüpft Kontinuität mit Kreativität, Transpiration mit Innovation. Das alles geschieht via Bild und Ton in den sechs Fernsehinseln der Schau.

„Tatort Deutschland“ sind die erste Station und das erste Krimi-Jahrzehnt von 1970 bis 1979 überschrieben. Die Reihe der ARD und ihrer föderalen Anstaltsstruktur ist die Antwort auf den überwältigenden „Kommissar“-Erfolg des Zentralfernsehens ZDF. Das Kapitel „Neue Impulse“ rekurriert auf die Postmoderne der 80er Jahre, auf Schimi, einen neuen Ermittlertypus wie die emanzipierte Polizeibeamtin Lena Odenthal.

Hier wie in den folgenden Stationen enthüllen sich die Ingredienzen des mal heller, mal weniger hell brennenden TV-Lagerfeuers: Offenheit und Bandbreite des Formats, das Prinzip der Regionalität, der Sendeplatz am Sonntag, die so unterschiedlichen Fahnder, Brüche und Brücken im Ritual.

So werden „1000 Tatorte. Alle Filme. Alle Fälle“ zur Leistungsschau seiner Macher. Was sie können, wenn sie wollen. Was sie wollen, wenn sie können. So kann die Ausstellung zur Selbstvergewisserung der Fans werden. Oder wissen Sie noch, wer im 123. „Tatort: Usambaraveilchen“ der Kommissar war? In der Mediathek Fernsehen stehen tatsächlich alle Folgen ohne Ausnahme zum Abruf breit.

„1000 Tatorte. Alle Filme. Alle Fälle“, Deutsche Kinemathek/Museum für Film und Fernsehen, Potsdamer Straße 2, 10785 Berlin. Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag 10 bis 20 Uhr. Weitere Infos: www.deutsche-kinemathek.de

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