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Mordverdacht. Martin Rascher (Sebastian Blomberg) ist vorzeitig von einer Fortbildung zurückgekommen, um Kollegin Ellen Berlinger (Heike Makatsch) zu helfen.

© SWR/Daniel Dornhöfer

"Tatort" mit Heike Makatsch: Ein Mann für gewisse Stunden

Der dritte „Tatort“ mit Heike Makatsch geht echter und falscher Liebe nach.

In seinen Augen habe sie es gesehen, als er vor ihr stand, sein Gesicht das ihre fast schon berührt hat. Da habe sie es gesehen, sagt Kommissarin Ellen Berlinger (Heike Makatsch) zum Kollegen Martin Rascher (Sebastian Blomberg) – dass er zu allem fähig sei, auch zu einem Mord. Wer der Mainzer Kommissarin da so nahetritt, das ist Hannes Petzold (Klaus Steinbacher), ein Mann in den Dreißigern, der seit einiger Zeit mit Charlotte Mühlen (Michaela May) liiert zu sein scheint. Was Charlottes bester Freundin Bibiana Dubinski (Ulrike Krumbiegel) so gar nicht in den Kram passt.

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Die beiden Freundinnen, Best Ager, doppelt so alt wie Hannes Petzold, können gar nicht grundverschiedener sein: Charlotte lebt ein eher einfaches Leben, gutgläubig ist sie. Bibiana ist vermögend, lebt in einer weißen Villa mit und Garten, und ist eher weniger gutgläubig. Freunde hat sie auch keine. Bis auf Charlotte, die sie vor einiger Zeit auf einer Parkbank kennenlernte, als sich Charlottes neuer junger Hund auf Bibiana stürzte. Nun ist der Hund tot. Eingeäschert vom Tierkrematorium, bei dem Hannes Petzold arbeitet, seitdem er nach sechs Jahren Gefängnis wieder draußen ist. Und nun ist auch Bibiana Dubinski tot.

„In seinen Augen“ heißt der dritte gemeinsame Fall von Ellen Berlinger und Martin Rascher, den Tim Trageser nach einem Drehbuch von Thomas Kirchner inszeniert hat. Die Narration alterniert kontinuierlich zwischen der Retrospektive und der Erzählebene der Gegenwart. Dabei sind die Übergänge mitunter derart fließend, dass man sich manches Mal immer wieder kurz neu zeitlich orientieren muss: Vergangenheit und Gegenwart gehen ineinander über.

[„Tatort: In seinen Augen“, Sonntag, ARD, 20 Uhr 15]

Mehrere Fragen stellen sich Ellen Berlinger und Martin Rascher. Vor allem sie, Berlinger, ist fest überzeugt davon, dass es nur Hannes Petzold gewesen sein kann, der die gut betuchte, alleinstehende Bibiana Dubinski umgebracht hat. So gelangt er zusammen mit Charlotte Mühlen, an die er sich in Berlingers Wahrnehmung rangeworfen hat, an das Vermögen. Denn Dubinski gab einmal einen Zweitschlüssel ihrer Freundin Charlotte. Nun steht dieses ungleiche „Paar“ in der marmorierten Eingangshalle der Villa, der junge Tierkremator und die ältere Single-Dame, als das Kommissars-Duo vor der Tür steht und klingelt. Petzold wird ungehalten, reagiert gereizt auf die Fragen und Mutmaßungen Ellen Berlingers, bis er ihr so nahekommt, dass sie es in seinen Augen gesehen zu haben glaubt.

Für sie ist der Moment der Erkenntnis eingetreten, hinter den sie nicht mehr zurück könne, sagt sie später einmal zu Martin Rascher. Er, Rascher, hat diesen Erkenntnis-Moment bislang noch nicht, denn die manchmal unterzuckerte Diabetes-Patientin Dubinski, die wohl an einem Insulinschock starb, kann ebenso eine Art Unfall gehabt haben oder aber sich das einsame Leben bewusst genommen haben, jetzt, wo Charlotte ihren Gigolo habe, ihren Mann für gewisse Stunden.

Spiel mit den Zeitebenen

So, wie „In seinen Augen“ mit den Zeitebenen spielt, zwischen dem Gestern und dem Heute den ganzen Film hindurch wechselt, so ist über lange Zeit völlig offen, um was es sich hier überhaupt handelt: Haben wir einen Kriminal-Fall? fragt sich der weitaus unsicherere Rascher. Genauso im Offenen bewegt sich das Verhältnis zwischen Charlotte und Hannes Petzold: Liebt er sie wirklich? Oder geht es im Umkehrschluss tatsächlich doch nur um das schnöde Geld? Dieses Offene, Unklare nutzen Drehbuch und Regie bis kurz vor dem Ende, und lassen so zwar keine nervenzerreibende Dauerspannung entstehen, wohl aber eine latente Verunsicherung, die etwa mit der Frage einhergeht: Was eigentlich ist Wahrheit?

Denn: In seinen Augen hat Ellen Berlinger bei Hannes Petzold etwas gesehen – was aber war dort wirklich zu sehen? Ist das, was wir sehen, was wir sehen wollen, nicht immer nur die aus unserer Wahrnehmung resultierende Projektion? Dieses Spiel des Offenen verstärken bei alledem die wie stets so wunderbare Heike Makatsch und ihr Filmpartner Sebastian Blomberg mit ihrer sehr unterschiedlichen, dabei passenden Präsenz. Ganz am Ende, da kommt er dann noch einmal, der Moment der Erkenntnis – und Ellen Berlinger muss doch noch einmal hinter ihn zurückkönnen.

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