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Medien: Tausendundeine Illusion

Sechs arabische Länder im Vergrößerungsglas des einstündigen ZDF-Films „1001 Hoffnung“

Im Jahr 2002 hatte Ulrich Tilgner die Wahl: „Ich hätte auch nach Kairo gehen können. Aber der Konflikt lag in der Luft.” Zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, das zeichnet wohl einen guten Korrespondenten aus. Ulrich Tilgner, der seit mehr als 20 Jahren aus dem Nahen Osten berichtet, entschied sich für das ZDF-Büro in Teheran. Damit war er auch für den Irak zuständig. Für seine fundierte Berichterstattung vom letzten Irak-Krieg erntete er exzellente Kritiken.

„In der Luft“ liegt nun einiges im Iran selbst. Wieder ist es Ulrich Tilgner, der dem ZDF-Publikum den Konflikt des Westens mit dem islamischen Staat erklären soll. Stereotype Bilder vom rückständigen Gottesstaat sind seine Sache nicht. „Die Iraner leiden flügelübergreifend unter Vorurteilen und falscher Berichterstattung“, sagt Tilgner. „Ich versuche immer, den neuen und modernen Iran zu zeigen.“ Die nächste Gelegenheit bietet die heutige Sechs-Länder-Reportage „1001 Hoffnung“, in der Tilgner und Dietmar Ossenberg durch die Emirate Dubai und Abu Dhabi, durch Jordanien, Libanon, Ägypten, Iran und Irak flitzen. Der Eindruck gewaltiger Gegensätze prägt sich ein: In der Region blühen die Sehnsucht nach westlichem Lebensstil wie in Beiruts Diskotheken ebenso wie der fundamentalistische Hass in den Predigten eines Kairoer Moslembruders. Wo das enden soll? Die Korrespondenten wagen keine Prognose.

Aus dem Iran hat Tilgner Bilder von Frauen mitgebracht, die mit Rallye-Autos durch den Wüstensand rasen. Bei Teherans Jugend habe die traditionelle Lebensweise ausgedient: „Spaß und Freizeit, das ist es, was junge Iraner wollen“, kommentiert Tilgner. Wer solche Bilder sehe, soll „auf die Idee kommen, dass man in diesen Ländern nicht einfach Krieg führen kann“. Auch Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad, der die Welt mit seiner Anti-Israel-Hetze schockierte, könne die Jugend nicht ignorieren, glaubt Tilgner. Problematisch ist allerdings, dass man über die politische Lage wenig erfährt. Was verstehen Reformkräfte unter Demokratisierung? Wie ist ihre Situation nach Ahmadinedschads Wahl? Solche Fragen bleiben offen. Konfliktpotenzial mit dem Westen sieht Tilgner vor allem in der Energiepolitik. Er zeigt den Bau einer riesigen Erdgasraffinerie. Bald werde die islamische Republik mit Macht auf den Weltmarkt drängen. Tilgner: „Das macht Amerika verrückt.”

Seine beharrliche Art, die Klischees und die Nachrichtenroutine durch eigene Erkenntnisse zu relativieren, hat Grenzen. Die Kontinuität in der Berichterstattung aus der Region habe nachgelassen, sagt er. Dass er durch seine Bildschirmpräsenz während des Irak-Kriegs zu einer Art Starjournalist des ZDF geworden ist, ändert daran nichts. Für seine Arbeitsbedingungen im Iran hatte das dagegen „kolossale Auswirkungen“, erklärt er. Tilgner, der sich dort frei bewegen kann, hat dank ständiger Akkreditierung eine „relativ privilegierte Position“.

Im Irak dagegen ist die Lage weitaus gefährlicher. Seinen Mitarbeitern hat er wegen der ständig drohenden Entführungen eingeschärft, niemandem zu erzählen, in welchem Hotel er sich gerade einquartiert hat. Länger als vier oder fünf Tage hält er sich nicht mehr im Irak auf. Zuletzt hat er dort vor wenigen Wochen gedreht, war mit US-Soldaten unterwegs in Bagdads Armenviertel Sadr-City. In „1001 Hoffnung“ zeigt er, wie die GIs Bleistifte und Schulhefte an Kinder verteilten. Tilgner stand mit Helm und schusssicherer Weste daneben. „Ich habe auch Angst, große Angst im Irak.“

„1001 Hoffnung – Demokratie für Allahs Völker?“, heute, ZDF, 22 Uhr 15

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