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Eingetaucht in die deutsche Arbeitswelt, mit fetter Beute wieder aufgetaucht: Günter Wallraff

© dpa

"Team Wallraff" auf RTL: Dunkle Ecken des deutschen Jobwunders

In der vorerst letzten Folge von "Team Wallraff" ging es um die Sicherheitsbranche - mit dem erwartbar drastischen Ergebnis. Doch was immer von den verdeckten Aktionen auch zu halten ist, die junge Reportertruppe hat Wirkung erzielt.

Was für ein cleveres Spannungs-Marketing. Erst um 21 Uhr 15, wenn RTL das „Team Wallraff“ zur Undercover-Recherche über den Bildschirm schickt, werden die Einsatzorte bekannt. Da verbünden sich Vorsicht, die betroffenen Unternehmen sollen über Vorabinformationen ja nicht vorgewarnt werden, und Anfütterung der Zuschauererwartung: Achtung, Leute, heute wird’s was geben. 3,81 Millionen schalten ein.

Und es gibt was in der dritten - und nur vorerst letzten - Folge von „Team Wallraff – Reporter undercover“.  Es geht um die Security-Branche, 250 000 Menschen sollen in Deutschland beschäftigt sein. Schlecht ausgebildet, schlecht bezahlt, so werden die Sicherheitsleute selbst zum Sicherheitsrisiko, suggeriert der Beitrag. Beispiel Oktoberfest: Ein junger Wallraff-Kollege lässt sich anwerben, fünf Tage lang mehr oder weniger schulen, dann geht es an den Einlass am Zelt. Ärger, Stress, Schikane, Zwölf-Stunden-Tag, Schlägereien, mal von den Besuchern, mal von Ordnern selbst. Hat einer in der Hochburg des Biersaufens wirklich was anderes erwartet?

Jetzt muss Wallraff selber ran. Er verwandelt sich zum Wachmann beim Frankfurter Jobcenter. Die Löhne machen die Sicherheitsmitarbeiter selber zu Kunden der Arbeitsvermittlung. Die Stationen – Flüchtlingsheim in Hamburg, Diskothekenprojekt in Berlin, Werttransportfahrer - wechseln, der Befund bleibt: Die Sicherheitsbranche ist an der Basis eine Branche der „armen Schweine“. Opfer treffen auf Opfer. Das kann behauptet – oder aber gezeigt werden: Also werden Gesichter unkenntlich gemacht, Stimmen verzerrt, die Kamera ist sorgfältig versteckt. Undercover eben. Dieser Sozialreport braucht Drastik, und dafür holt er sich die entsprechenden Töne und Bilder zusammen. Wallraff und sein Team machen sich gemein, aber geht es anders, wenn die ungeschminkte Wirklichkeit auf den Bildschirm kommen soll? 

In nur drei Folgen zum Gesprächsthema

Nur drei Folgen haben Günter Wallraff und seine Reporter wie Torsten Misler gebraucht, dann waren das RTL-Format und seine Protagonisten in vieler Munde. Fragwürdige Arbeitsbedingungen beim Mode-Onlineshop Zalando, fragwürdige Hygiene und miese Bezahlung beim Burger-Brater, fragwürdige Zustände in Pflegeheimen, fragwürdige Sicherheit in der Security-Branche – tief sind die Reporter in deutsche (Arbeits-)Welten eingetaucht, mit - leider - fetter Beute sind sie wieder aufgetaucht. Das Jobwunder in Deutschland hat seine sehr dunklen Ecken. Was immer von den verdeckten Aktionen und der Vorspiegelung falscher Absichten zu halten ist, die junge Reportertruppe mit Mentor Wallraff hat Wirkung erzielt. Bei Burger King soll künftig nach Tarif bezahlt werden. 

Im „Extra“-Magazin wird dann mit dem Wallraff-Team das Berichtete aufgearbeitet, nachbearbeitet. Moderatorin Birgit Schrowange steht für schockhafte Betroffenheit. Ein bisschen zu viel Selbstlob wegen des Einsatzes für bessere Arbeitsbedingungen (die ja Lebensbedingungen sind) schwingt immer mit. 

RTL zeigt: Privatfernsehen kann nicht nur lustig

Für den Privatsender RTL, der mit seinen Investigativ-Aktionen die Heerscharen öffentlich-rechtlicher Magazin-Rechercheure alt und zahnlos aussehen lässt, ist die Reihe ein enormer Imagegewinn. Privat kann nicht nur lustig, Privat kann auch ernst, schon zieht Sat1 mit „Lange undercover“ nach. Der Zuschauer muss sich ob der festgestellten Missstände nicht laut jubeln, zugleich er sich freuen kann, dass sich ARD & Co und RTL & Co nicht mehr nur einen Wettbewerb im Fliegenfangen und Flausen-Fernsehen liefern. Jetzt geht es um Realität und relevante Dinge. 

Da passt es schon ins Bild, dass Günter Wallraff, mit 71 Jahren der Altmeister des spektakulären Enthüllungsjournalismus, selber in den Fokus geraten ist. Mit seinem Team hat er in einer „Undercover“-Folge prekäre Arbeitsbedingungen und Ekelzustände bei einem Franchise-Nehmer von Burger King aufgedeckt. Der „Spiegel“ hat wiederum aufgedeckt: Wallraff, ehedem schärfster Kritiker des Burger-Konkurrenten McDonald’s, habe im Jahr 2010 einige Male mit McDonald’s zusammengearbeitet und darunter zwei Mal an Diskussionsrunden gegen gutes Honorar teilgenommen. Es gibt auch nicht einen sachdienlichen Hinweis, dass die Wallraff-Truppe bei Burger King zu Nutzen und Frommen von McDonald’s reinmarschiert ist. Zum Rechercheansatz des „Spiegel“ passt wohl dieser Denksatz: Die Kritiker der Elche waren früher selber welche.

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