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Teil einer anderen Realität: eine Gruppe von Spielern hat in „Minecraft“ die Harry-Potter-Zauberschule Hogwarts nachgebaut. Weil Gleichgesinnte sie besuchen können, ist diese Welt nicht mehr nur virtuell.

© Microsoft Studios

Teil einer anderen Realität: Was Gamer an Sandbox-Spielen lieben

Sie heißen „Dreams“ oder „Minecraft“ und sind unglaublich beliebt. Spieler erzählen, wieso sie unendliche Stunden in sogenannten Sandbox-Spielen verbringen.

„Es gibt zu viele Spiele, in denen man nicht wirklich viel mehr tut, als zu ballern“, sagt Basti. Er habe daher nach einer anderen Art von Videospielen gesucht. Gefunden hat er „Dreams“, in dem die Spieler einen reichhaltigen Baukasten haben, um sich eigene Welten zu gestalten. „Das Projekt, auf das ich besonders stolz bin, klingt vielleicht etwas seltsam, aber es war: Gras“, sagt der 38-Jährige. Er habe sich lange mit den Werkzeugen des Spiels beschäftigt und schließlich realistisches, sich im Wind wiegendes Gras erstellt. „Dieses Gras haben dann viele in ihren eigenen Welten benutzt“.

Es gibt inzwischen einige Videospiele, die die Spieler vor allem machen lassen. Sie geben ihnen Werkzeuge an die Hand, mit denen sie eigene Welten bauen können – oder auch unsere Welt nachbauen. Diese Spiele heißen etwa „Minecraft“ oder „Dragon Quest: Builders“. Es sind sogenannte Sandbox-Spiele. Am 14. Februar kommt „Dreams“ für die PlayStation 4 hinzu, das bisher nur in der Beta-, also einer unfertigen Version, vorlag. Doch was fasziniert die Spieler daran, viele Stunden damit zu verbringen, virtuelle Gebäude oder Landschaften zu bauen?

„Bei jedem Start des Spiels fallen mir neue Dinge ein, die ich machen und sehen möchte“, berichtet Basti. Es gäbe kaum etwas, das er in „Dreams“ nicht umsetzen könne. „Man muss halt nur wissen, wie man es bewerkstelligen kann.“ Das eigenständige Herausfinden und Erarbeiten von Möglichkeiten macht für ihn die Befriedigung dieser Spiele aus – gelebte Kreativität.

10.000 Stunden in zehn Jahren

Julia spielt „Minecraft“ schon seit zehn Jahren. „Man kann zusammen eine Stadt oder ein Schloss oder eine Welt erschaffen und doch kann jeder es auch ganz individuell für sich spielen“, sagt die 29-Jährige. Über 10 000 Stunden habe sie insgesamt schon mit dem Spiel verbracht. „Mehrmals im Jahr verfalle ich in eine ,Minecraft‘-Trance und baue dann, bis ich das erreicht habe, was ich mir vorgenommen hatte.“ Besonders stolz ist sie etwa auf ein japanisches Tor, an dem sie viele Stunden gearbeitet hat.

Viele Spieler arbeiten zusammen an Projekten in diesen virtuellen Sandkastenspielen. Sie versammeln sich auf einem Server und bauen dann zusammen für Stunden an einer Stadt oder einem Gebäude – oder einem Raumschiff. Diese Bauten können gigantische Ausmaße annehmen. So hat ein Team von Spielern etwa Block für Block die Zauberschule Hogwarts aus „Harry Potter“ in „Minecraft“ nachgebaut.

Diese Welt können andere Spieler besuchen. Sie wird in Foren diskutiert, auf Youtube werden Videos gezeigt von dieser Welt. Dieses Bauprojekt ist nicht mehr „nur“ virtuell. Es wird zu einem messbaren, erlebbaren Objekt. Beeinflusst die Realitäten anderer Spieler.

„Zu „Minecraft“ hat mich damals mein Neffe gebracht, der während seiner Ausbildung bei mir wohnte“, erzählt Florian. Seitdem hat er, zunächst zusammen mit seinem Neffen, dann auch mit Freunden, an vielen Bauten in dem Spiel gearbeitet. „Bei uns war ,Minecraft‘ nie eine Sache, die jeder allein vor dem Computer gespielt hat. Es waren schöne Zeiten, am Rechner bauen zu können und sich dabei mit Freunden zu unterhalten.“

Am 14. Februar erscheint die finale Version von "Dreams" für die PS4. Bereits die Beta animierte die Spieler dazu, eigene Welten zu schaffen.
Am 14. Februar erscheint die finale Version von "Dreams" für die PS4. Bereits die Beta animierte die Spieler dazu, eigene Welten zu schaffen.

© Sony Interactive Entertainment

Sandbox-Spiele sind somit auch eine Form von Eskapismus. Eine Welt zu erkunden, die man selbst gestaltet hat. An etwas zu arbeiten, das keinen realweltlichen Sinn hat – nicht produktiv ist, nicht der Karriere, der Strebsamkeit dient, sondern ganz sich selbst genügt. Damit erfüllen sie eine Funktion, die in unserer Arbeitsgesellschaft fast abhandengekommen scheint.

Für den 38-jährigen Florian ist es schon sieben Jahre her, dass er ausgiebig „Minecraft“ gespielt hat. „Ich denke gerne daran zurück“, sagt er. Und etwas übrig geblieben ist davon auch. „Eine Stadt habe ich gebaut, um sie später in einem Buch besser beschreibbar zu machen“, erzählt er. So habe er verstehen gelernt, wie die Lichtstimmung am Morgen ist oder wie lange der Protagonist von einem Ort zum nächsten braucht. „Zwischen 2011 und 2017 entstanden drei Romane mit insgesamt 1300 Seiten“. „Relsh“ hat er diese Saga genannt und bietet sie auf der gleichnamigen Internetseite zum kostenlosen Download an. Roman und Videospiel kommen sich hier ganz nah.

Sandbox-Spiele bieten Raum fürs Ausprobieren, für Eskapismus. Sie leben von kreativen Spielern – sie haben kein Ziel, sind endlos. Das macht sie wohl auch so beliebt. Und ob es nun Gras ist oder Hogewarts; auch wenn sich alles in der Virtualität abspielt – diese Welten sind doch auch Teil der Realität.

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