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Keine bipolare Störung, kein verheimlichtes Liebesverhältnis. Jana Wagner (Christiane Paul) und Nicholas Krüger (Heiner Lauterbach) können nicht eingreifen, als ein Einsatz in Pakistan völlig anders abläuft als geplant.

© SWR/Diwafilm GmbH

Terror-Thriller mit Christiane Paul: Mumbai, Moslems, Marzipan

Westliche Geheimdienste und der globale Terror: Christiane Paul versinkt als BND-Agentin in "Saat des Terrors" im Interessensumpf des Spionagegewerbes.

Es gibt einen dokumentarischen Ingrimm, gegen den wenig zu machen ist. Der verlässt sich auf die weltweite Relevanz seines Themas und verzichtet um der Information willen auf alles, was nach erzählerischer Abschweifung und innehaltender Introspektion aussieht. Sie haben doch, scheinen die Faktenbegeisterten zu sagen, nicht vergessen, was 2008 bei den Anschlägen in Mumbai geschah. Sie wollten doch schon immer wissen, welche Interessenten damals ihr böses Spiel spielten. Nehmen Sie Platz, wir sprechen auch die Sprache der Fiktion, dann kapieren Sie vielleicht leichter.

Von solchem Chronisteneifer ist die Geschichte der erfundenen deutschen BND-Agentin Jana Wagner (Christiane Paul) angetrieben. In den 90 Minuten der Fiktion „Saat des Terrors“ hat die dauerleidende Jana vor allem eines: keine Zeit. Denn der Autor, Regisseur und Grimme-Preisträger Daniel Harrich („Tödliche Exporte“, „Gift“) entleert seinen ganzen Karteikasten mit Terrorhintergründen aus Indien und Pakistan über die Figur der Agentin. Damit nicht ein Faktum fehle aus der ganzen großen Schar der Schreckenssterne.

So viel Spielraum, wie die US-Serie „Homeland“ ihrer CIA-Frau Carrie Mathison ließ, gesteht das Drehbuch von „Saat der Gewalt“ seiner Heldin Jana nicht zu. Keine bipolare Störung, kein verheimlichtes Liebesverhältnis mit einem Verdächtigen gibt es zu sehen, stattdessen die Dauerbesorgtheit einer Bundesbeamtin, die männliche Vorgesetzte für ihre Machtspiele meinen ausnutzen zu können. Und die nur von ihrem getreuen Chauffeur und Leibwächter (Heiner Lauterbach) Unterstützung erfährt. Bis das Unheil zuschlägt.

Verstellung ist der nonnenhaften BNDissins Sache nicht. Das moralische Urteilen dringt ihr aus jeder Pore. Das macht ehrlich, aber auch ein bisschen langweilig deutsch und naiv, als habe Lessing geschrieben: Im Deutschen lügt man, wenn man sich List leistet.Wie sie mit Oberst Baqri, dem Verbindungsmann zum pakistanischen Geheimdienst – von „Homeland“-Star Navid Negahban so samtig schmierig gespielt, dass der Dümmste im Publikum dessen schurkischen Charakter durchschaut – über Vorlieben für deutsches Marzipan parliert und immer noch glaubt, die pakistanische Seite meine es Ernst mit dem von Deutschland unterstützten Kampf gegen die Taliban, das grenzt schon an Begriffsstutzigkeit.

Sich vom Westen für die Terrorabwehr bezahlen lassen

Dabei hat eine starke Szene am Beginn des Films darüber aufgeklärt, dass sich die Pakistaner nicht an Vereinbarungen mit der deutschen Seite halten. Eine als unblutig geplante und vom BND vorbereitete Festnahme von Drogenhändlern endet vor Janas Augen als blutiges Massaker. Ihr BND-Vorgesetzter und Leiter der Residenz in Pakistan (Axel Milberg) pfeift die Empörte zurück, als sie das lukrative doppelte Spiel der Einflussreichen in Pakistan zu durchschauen beginnt: Sich vom Westen für die Terrorabwehr bezahlen zu lassen und heimlich den Terror zu unterstützen.

Tapfer versucht die fleißige Jana aus Deutschland diese Entwicklung zu stoppen. Ihre Warnungen aber vor einem Anschlag im indischen Mumbai – nur durch eigenmächtige Initiative gegen die männliche BND-Hierarchie beschafft – stoßen auf taube Ohren, bis dieser Anschlag dann wirklich mit Hunderten von Opfern passiert.

Die Verteidigung deutscher Interessen am Hindukusch ist nichts für mitdenkende deutsche Beamtinnen, konstatiert dieser Film. Frauen stören letztlich im Clash der Kulturen. Sie sind zu korrekt und nicht so moralisch vergesslich wie Männer. Das fällt in einem Dienst besonders auf, der, wie der Bundesnachrichtendienst, seine ethischen Maßstäbe verliert und selbst zum Bestandteil eines Business wird.

Folgenreiche Zweifel über die koloniale Attitüde des Westens, arme Länder nur bei Bedarf einzusetzen, sie für die Bekämpfung des Terrors zu bezahlen und dann wieder zu vergessen, darf Jana laut Drehbuch kaum ausbreiten.

Sie hat, wie es ihr Vorgesetzter ausdrückt, dem „großen Ganzen“ zu dienen. Das bedeutet: Sie reist zwischen Indien und Pakistan zunehmend verzweifelnd hin und her im Bewusstsein der Vergeblichkeit, gegen männliche Ignoranz anzukommen. Das begleitende Publikum kommt daher so gut wie gar nicht heraus aus den Reiseschuhen.

In Janas Fall sind es scharfe Pumps, die ihren stets gehorsam getragenen Kopfschleier zu dementieren scheinen. Doch die von Kameramann Gernot Roll aufgebaute Erwartung, hier mögen in irgendeinem Moment innere, gar erotische Vulkane, ausbrechen, bleibt unerfüllt. Nur reisen und leiden – das ist scheinbar Frauenschicksal, wenn es ums (Gerne-)Große und (Pseudo-)Ganze der Männer geht. Immerhin ein Lernergebnis dieses langen und mutigen Themenabends dann doch – eine historische Unterweisung zum Thema Geschichte des Terrors in Pakistan und Indien.

„Saat des Terrors“, Mittwoch, ARD, 20 Uhr 15. Im Anschluss: „Spur des Terrors“, Dokumentation über einen US-Agenten, 21 Uhr 45.

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