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Miles Teller als L.A.-Polizist, der sich ein Zubrot als Auftragskiller verdient.

© Tsp

„Too Old To Die Young“: Markenzeichen NWR

Moloch Los Angeles: Nicolas Winding Refn hat für Amazon eine Krimiserie gedreht. Manches ist da schon eingepreist.

Von Andreas Busche

Der Film Noir ist für das Serienfernsehen inzwischen, was der Western für eine nachgewachsene Generation von Kinoregisseuren darstellt: eine Erzählfolie aus Mythen und Motiven von zeitlosem Wiedererkennungswert. Der dänische Regisseur Nicolas Winding Refn hat mit „Drive“ schon einmal bewiesen, dass er das Bilderrepertoire der nächtlichen Großstadt mit ihren Neonreklamen, regennassen Straßen und schweigsamen Einzelgängern locker aus dem Ärmel schütteln kann.

Doch Refn ist auch die Antithese zum Serienfernsehen mit seinen mobilen Second-Screen-Bildchen und optimierten Plotdramaturgien. Er hat noch eine Vorstellung vom Kino, auch wenn sich seine Filme mehr für Oberflächen interessieren. Andererseits erzählte er mal „Spiegel Online“, dass er seine Filme für Smartphones drehe.

Man kann es darum einen echten Coup nennen, dass Amazon Refn für seine erste Serie gewinnen konnte. Serielles Erzählen kennt er bisher allenfalls von seiner „Pusher“-Trilogie, deren Hardboiled-Nihilismus sich noch an den Filmen Quentin Tarantinos orientierte. Tarantino und Refn haben noch etwas anderes gemeinsam: Beide betrachten sich als eine Art eingetragenes Warenzeichen.

Wo NWR draufsteht, steckt also auch ein unverwechselbarer Nicolas Winding Refn drin. „Too Old To Die Young“ trägt diese Selbstgewissheit schon im Titel. Als vergangenen Mai in Cannes zwei Folgen uraufgeführt wurden, nährte das auch die zaghafte Hoffnung, dass Kino und Streaming in Zukunft nicht in vollkommen getrennten Sphären existieren müssen.

Samurai-Gangster, Snuffpornoproduzenten, Kinderschänder

Dass sich der Kinosaal am Ende der 138 Minuten deutlich geleert hatte, ist im Kürzel NWR gewissermaßen schon eingepreist. Refn liebt seine Rolle als Agent Provocateur, der Sand ins Getriebe der großen Erzählung streut. Die Zuschauer „abzuholen“, was etwa bei Netflix inzwischen unverzichtbar zu sein scheint, hat Refn gar nicht nötig.

Da Amazon von der zehnteiligen Serie die Episoden vier und fünf präsentierte, fühlt man sich etwas verloren in den schummerigen, weitläufigen Noir-Tableaus, durch die Miles Teller als L.A.-Polizist, der sich ein Zubrot als Auftragskiller verdient, streift. Die beiden Episoden zerfallen in zeitlupenhafte Miniaturen, verdichtet in der besten Szene: einer Verfolgungsjagd zwischen Muscle Car und Elektroauto – zu Barry Manilows „,Mandy“.

Refn lässt den Cop auf unangenehme Nachtschattengewächse treffen: Samurai-Gangster, Snuffpornoproduzenten, Kinderschänder. Die Pulp-Gewalt in „Too Old To Die Young“ gibt sich den Anschein von Rechtschaffenheit, aber stets mit fiesem Augenzwinkern. Auch die endlosen, bedeutsam geflüsterten Dialoge klingen eher wie gespielte Witze. Mit „Too Old To Die Young“ empfiehlt sich Nicolas Winding Refn als Zenmeister des gehobenen Unsinns.

„Too Old To Die Young“: zehn Folgen, ab Freitag auf Amazon Prime

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