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© dpa

"Topmodel“, die Fünfte: Der kleinste Nenner

Warum Castingshows mit Möchtegern-Musikern und -Models immer noch so erfolgreich sind

Sie trainierte mit High Heels und Ballerinas, manchmal auch barfuß, immer rauf und runter den langen Hausflur bei ihren Eltern in Witten, denn seitdem Mandy Bork die erste Folge von „Germany's Next Topmodel“ (GNTM) gesehen hatte, wusste sie: Da will ich hin! Vor knapp einem Jahr hat es die Schülerin dann geschafft. Sie war Kandidatin in der Pro-Sieben-Castingshow, stöckelte sich unter den gestrengen Augen von Moderatorin Heidi Klum unter die letzten drei Finalistinnen vor und wurde nach Sara Nuru Zweitplatzierte. Durchschnittlich 3,8 Millionen Zuschauer fieberten bei ihrem Aufstiegskampf vom Hausflur auf den Catwalk mit.

Wenn am morgigen Donnerstag nun die fünfte Staffel von „Germany’s Next Topmodel“ beginnt, werden es wieder Millionen Frauen und einige Männer sein, die zusehen, wie Mandys Nachfolgerinnen ihrem Traum vom Supermodel zumindest scheinbar ein Stück näher schweben. So, wie zurzeit von Samstag zu Samstag Millionen Zuschauer verfolgen, wie sich die Kandidaten der RTL-Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS) vom Nobody zum Superstar hochsingen wollen.

„DSDS“ und „GNTM“ gehören zusammen mit dem „Supertalent“ (RTL) und den „Popstars“ (Pro Sieben) zu den erfolgreichsten Castingshows im deutschen Fernsehen. Diese Shows drehen sich ums Singen, Tanzen, gutes Aussehen – die perfekten Themen, um Tausende von Teilnehmern anzulocken und Millionen Zuschauer in den Bann zu ziehen. Ein Erfolgsrezept, das nicht nur in Deutschland funktioniert. In den USA sind Sendungen wie „America’s got Talent“ und „The X Factor“ ebenso auf Musik fokussiert, wie „Pop Idol“ und „Britan’s got Talent“ in England. Und „Topmodels“ werden via Fernsehen inzwischen in über 40 Ländern gesucht, sogar in Afghanistan, Nepal und Westafrika.

Doch warum faszinieren ausgerechnet Shows so sehr, die Supersänger und Superschönheiten suchen? Der bloße Blick in die Glamourwelt, von der viele Leute träumen, kann es allein nicht sein. Auch nicht allein eine prominent besetzte Jury. Das zeigte sich am Beispiel Til Schweiger. Der Schauspieler und Filmemacher hatte im vergangenen Jahr auf RTL mit seiner Castingshow „Mission Hollywood“ eine geeignete Nachwuchsschauspielerin für eine Rolle im Hollywood-Film „Twilight – Bis(s) zum Abendrot“ gesucht.

Produziert wurde die Sendung von der Firma Tresor, die auch „GNTM“ macht, sogar der Off-Sprecher war derselbe wie in der Heidi-Klum-Show – und doch floppte Schweigers Sendung. Schon nach der dritten Folge wurde sie wegen schlechter Quoten vom Montagabend auf den Samstagnachmittag verbannt. Das mag auch daran gelegen haben, dass Til Schweiger so sehr für Erfolg in Hollywood steht, wie „Topmodel“-Sirene Gina-Lisa Lohfink für natürliche Schönheit. Entscheidender aber war das fehlende Identifikationspotenzial, das Zuschauer regelrecht abhängig von einer Castingshow machen kann. Denn ob jemand ein guter Darsteller ist oder nicht, ist für das Publikum schwerer zu beurteilen als die Tatsache, ob jemand den Ton trifft oder hübsch aussieht. Musik und Mode sind Themen, zu denen jeder eine Meinung hat. „Jeder glaubt, Gesang und Aussehen beurteilen zu können. Das ist ein ähnlich breit angelegtes Thema wie Fußball, wo jeder glaubt, mitreden zu können“, sagt RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger.

Medienpsychologe Jo Groebel sieht in den Castingshows sogar einen Prozess der Demokratisierung. Nicht nur, weil den Zuschauern suggeriert werde, selbst beurteilen zu können, wer das Zeug zum Superstar hat oder nicht. Sondern auch, weil die Möglichkeit, selbst ein Star zu werden, greifbarer erscheint als früher. Denn singen und „aussehen“ kann zunächst einmal jeder Mensch – und hat deshalb die Chance, an den Castingshows teilzunehmen. Ob man dann den richtigen Ton trifft oder den Schönheitskriterien der Modebranche entspricht, ist am Ende eine andere Frage. Zudem bringen Sendungen, die sich wie „Popstars“, „Supertalent“ und „DSDS“ um Musik drehen, nach Ansicht von RTL-Unterhaltungschef Sänger einen weiteren entscheidenden Erfolgsfaktor mit: „Musik erreicht jeden Menschen und ist damit eine Art Universalschlüssel zu Emotionen.“ Doch die großen Gefühle werden nicht allein durch die Musik bedient. Musik und Mode sind zwar der Kern der Shows, diese aber müssen entsprechend inszeniert werden.

„,DSDS‘ ist nicht nur eine Talentshow, sondern hat beispielsweise auch Elemente der Soap, wodurch die emotionale Bindung des Zuschauers an das Format gelingt“, sagt Tom Sänger. „Mit jeder neuen Folge erzählen wir die Fortführung einer Geschichte. Im Grunde ist das eine Art modernes Märchen.“ So wie in der aktuellen „DSDS“-Staffel beispielsweise die Geschichte von Kandidat Menowin Fröhlich, der noch am Tag seiner Haftentlassung die „DSDS“-Bewerbung verfasst haben soll und die Fernsehshow als seine Chance auf ein geregeltes Leben sieht. Auch bei den „Topmodels“ werden Märchen erzählt, wie eben das vom Kleinstadtmädchen Mandy Bork, das dank Heidi Klum die große weite Welt zu sehen bekam.

Doch Friede, Freude und Diätdrinks wären dauerhaft zu langweilig. Deshalb werden Konkurrenzkämpfe mit viel Tränen und Geschrei inszeniert. Das polarisiert. „Die Zuschauer wählen ihren Liebling, ihr Idol, einen Stellvertreter für sich selbst und ihre eigene Geschichte. Sie vergleichen sich und sagen: ,Der hat es geschafft, dem gönne ich das‘“, meint Sänger. Fernsehen funktioniere sehr stark über diese Vergleichbarkeit. Und vergleichen können Zuschauer am besten bei Themen, bei denen sie zumindest glauben, sich auszukennen.

Ob aus dem „Superstar“ dann tatsächlich ein echter Star und aus dem „Topmodel“ ein echtes Topmodel wird, das ist am Ende weniger wichtig – die nächste Castingshow kommt bestimmt.

„Germany's Next Topmodel“, Donnerstag, 20 Uhr 15, Pro Sieben; „Deutschland sucht den Superstar“, Samstag, 20 Uhr 15, RTL

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