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Nach dem Schuss. Andrea (Anna Loos, links) hofft, dass ihre Freundin Katja (Meret Becker) bald wieder gesund wird. Foto: Arte

© ZDF/Christoph Assmann

Trauma und Träume: Schulmüde

„Die Lehrerin“, ein intensiver Arte-Film mit Anna Loos.

Der Schuss, der Schreck, die Stille danach – es dauert nur wenige Minuten, bis Polizeisirenen heulen und ein Beamter in Vollsicherheitsmontur die verstörten Kinder mit ihrer Lehrerin aus dem Gebäude geleitet. Amoklauf an Schulen ist ein bedrückend aktuelles Thema, nach Columbine, nach Erfurt, nach Winnenden, auch nach den unfassbaren Morden von Utöya. Wobei man in Filmen, in Fiktionen automatisch Antworten sucht, die die Realität verweigert. Doch „Die Lehrerin“, die ZDF/Arte-Koproduktion, lässt nur wenig Zeit für die eigentliche Tat. Schwerer, langwieriger, komplexer sind die Tage, die Wochen, die Monate danach. Das Weiterleben, das Darüber-reden-Lernen, das langsame Vergessen. Das, was kommt, wenn die Medien längst nicht mehr hinschauen und berichten. Kein Gegenstand für Topnews mehr. Aber für die Betroffenen eine unendliche Aufgabe.

Regisseur Tim Trageser ist ein intensiver, nachdenklicher, unspektakulärer Film geglückt, der sich ganz auf seine Hauptfigur konzentriert, die Lehrerin Andrea (Anna Loos). Gerade noch hatte sie frustriert ihre Kündigung einreichen wollen, ausgebrannt nach 15 Jahren Klassendienst und Routine im Lehrerzimmer, gerade noch hatte sie mit ihrer besten Freundin und Kollegin Katja (Meret Becker) gescherzt, im Übermut einfach die Klassen getauscht, da fällt in Katjas Klasse ein Schuss, und Andrea bringt die panischen Kinder in Sicherheit. Katja ist schwer verletzt, angeschossen von einem Ex-Schüler. Und Andrea fällt die schwere Aufgabe zu, die traumatisierte Klasse und sich selbst wieder zurück in die Normalität des Schulalltags zu führen.

Anna Loos gibt dieser Andrea eine Kühle, eine hanseatische Verschlossenheit, die sie zur Außenseiterin macht, in der Klasse wie im Lehrerzimmer. Ist sie, mit ihrer Strenge und Härte, tatsächlich die Richtige, die Klasse der Kollegin in dieser sensiblen Situation zu übernehmen? Doch nicht nur dem Schulpsychologen Weininger (Axel Prahl) ist klar, dass diese Kühle nur Maske ist, die Stärke Schwäche verbirgt und dass für Andrea die Arbeit mit den traumatisierten Kindern mindestens so sehr Arbeit am eigenen Trauma ist.

Strukturiert wird der Film (Drehbuch von Laila Stieler) von Andreas Erinnerungsflashs: Die glücklichen Tage mit Katja, das erste Kennenlernen, Katjas unkonventioneller Unterricht, ein abendliches Mojito-Fest im Garten – ein harter Kontrast zu Andreas herber Verschlossenheit in der Schule. Erst in den langen Stunden am Krankenbett der Freundin, in den intensiven nächtlichen Gesprächen, in denen Katja auf wundersame Weise zu antworten scheint, findet sie den Weg, deren Lebhaftigkeit auch in ihren Unterricht zu überführen: Dadurch, dass sie mit den Kindern, die von Biologie nichts, von Botanik aber sehr wohl etwas wissen wollen, einen Schulgarten anlegt. Und ganz behutsam mit ihnen auch zu sprechen beginnt.

Am Ende haben alle gelernt, positiver zu denken – und auch für Andrea ist der Weg frei, sich den eigenen Dämonen zu stellen. Von Kündigung ist keine Rede mehr. Christina Tilmann

„Die Lehrerin“, Arte, 20 Uhr 15

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