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Dieter Wedel sieht sich mit schwerwiegenden Vorwürfen der sexuellen Belästigung bis hin zur Vergewaltigung konfrontiert.

© picture alliance / Swen Pförtner

Trotz Missbrauchsvorwürfen: Wedel zeigen!

Regisseur Simon Verhoeven fordert ein Ausstrahlungsverbot für die Filme von Dieter Wedel. Wozu? Es macht nichts ungeschehen - und bestraft die Falschen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Joachim Huber

Seine Serien nie wieder ausstrahlen, fordert Regisseur Simon Verhoeven. „Seine Serien“, das sind die Fernseharbeiten von Dieter Wedel. Sie gelten als im höchsten Maße kontaminiert, kontaminiert von diesem Autor/ Regisseur/Produzenten, der sich mit schwerwiegenden Vorwürfen der sexuellen Belästigung bis hin zur Vergewaltigung konfrontiert sieht. Was davon stimmt, werden staatsanwaltschaftliche Ermittlungen und die notwendige Aufklärungsarbeit der Fernsehsender ergeben, die Wedel beauftragt hatten, genauer: machen ließen. So viel Anstrengung, so viel Zeit muss sein. Das Urteil ist schnell, die Wahrheit ist langsam.

Wedels Werk und Wedels Wirken werden freilich nicht mehr zu trennen sein. Das Werk, das sind seine Versionen und Variationen der realen Bundesrepublik. Mit den „Semmelings“, dem „Großen Bellheim“ oder dem „Schattenmann“ hat Wedel die Chronik mitgeschrieben, und mehr als nur eine Fernsehchronik. Wer dieses Werk wegschließen will, der will dieses Erinnerungsvolumen auslöschen, irrig in der Annahme, mit dem Wegsperren des Werkes könne Wedels Verhalten ungeschehen gemacht werden.

Netflix zeigt Kevin Spacey

Es wird immer auf Parallelität hinauslaufen. Den „Schattenmann“ ansehen, heißt, den Schattenmann mitdenken. Das ist leistbar, und das ist auch zumutbar. In der erneuten Ausstrahlung steckte keine Belohnung, keine Wiedergutmachung für Wedel. Es wäre, neben der Doppelspur auf Zelluloid und im Kopf des Zuschauers, eine Bestrafung der Schauspielerinnen und Schauspieler, der Bühnen- und Kostümbildner, der gesamten Produktionscrews. Wer Wedel-Filme sieht, der sieht das geglückte Werk vieler, nicht eines Einzelnen. Auch wenn der Einzelne mehrere war.

Netflix zeigt „House of Cards“, die kompletten fünf Staffeln mit dem inkriminierten Kevin Spacey. Hier kann jeder seinen Test machen: Kein „House of Cards“ mehr, kein Netflix mehr? Empörung kann eine wichtige Triebfeder sein für Erkenntnis, fürs Wissenwollen. Wenn sie, wie in der Causa Wedel, zur Forderung nach einem Ausstrahlungsverbot führt, bleibt sie in der Empörung stecken. Nichts weniger ist geboten.

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