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Alpenkönige. Die jungen Ärzte im Sondereinsatz in Spielfilmlänge.

© ARD/Stefanie Leo

TV-Ärzte: Stürmische Höhen

Ganz in Weiß: Die Krankenhaussoap „In aller Freundschaft - Die jungen Ärzte“ spielt Bergretter.

Da rollen sie im Auto durch die Alpen, wie „wir“ sie vom Donnerstagvorabend im Ersten kennen (oder aus Zeit- oder Bildungsbeflissenheitsgründen   niemals kennen lernen wollen). Dr. Leyla Sherbaz (Sanam Afrashteh), die schöne freundliche Ausbildungsleiterin, gerade von Töchterchen Raja genesen, auf die zu Hause Vater Ben (Philipp Danne) und der frischgebackene Stationsarzt Elias „Bärli“ Bähr (Stefan Ruppe) aufpassen.

Noch dabei im Auto der etwas vogelige Geschäftsführer Wolfgang Berger (Horst Günter Marx), seine Tochter „Julchen“ Julia Berger (Mirka Pigulla), tüchtige Ärztin und aufgeblüht, seit sie den Ex-Ausbildungsleiter Dr. Ahrend (der in der Leipziger „Sachsenklinik“ mit der dortigen Krankenschwester Arzu einen Sohn gezeugt hatte) allein in die USA ziehen ließ...

Entschuldigung, wir hören ja schon auf, aber Soaps sind doch so gerüttelt und geschüttelt, da fließt beim Schäumen alles leicht ineinander und das Enzyklopädische geht  mit dem Fan durch. Sind so viele Spuren im echten fiktionalen Leben.  

Doch wir dürfen noch sagen, dass Jungarzt Mikko Rantala (Luan Gummich) mit an Bord des Autos ist. Finnisch stämmig, tierlieb, vom Erfurter Weißkittel-Spieß Matteo Moreau (Mike Adler) gelegentlich Rin Tin Tin geheißen (wir erinnern, der treue Schäferhund war ein Star des frühen Kinos). Und auch noch Medizinjungspund Tom Zondek (Tilman Pörzgen), mit Dutt, Typ Soap-Hamlet mit Amtsanmaßungsneigung.

Das Schicksal kennt keine Winterruhe, wo die Soap waltet. Schon bei der Anreise retten die Erfurter einen im Tiefschnee gestrandeten österreichischen Oberarzt-Kollegen (Simon Böer), von dem sich herausstellt, dass er bald mit der schönen Leyla – natürlich aussichtslos – flirtet, aber dessen Hubschrauberlizenz noch mal wichtig werden wird.

Ergänzt um die Doktorandin „Vivi“ Vivienne Kling (Jane Chirwa) – sie ist aus Hamburg zur Erfurter Gruppe gestoßen, zu der sie einst gehörte – beginnt der Kurs in „alpiner Notfallrettung“. Kann ja auch kaum ein wichtigeres Fortbildungsthema geben angesichts der Dreitausender rund um Erfurt.

Ach ja, übrigens Vivi. Verzeihung. Nur noch mal für Soap-Unkundige: Die Klingsche ist die Schwester des gestrengen Moreau, ging mal bis zu einer Fehlgeburt mit Rin Tin Tin Rantala und arbeitet jetzt in der Hansestadt unter einer ehemaligen Johannes-Thal-Klinikum –Spitzenneurologin, die charakterlich nicht ganz den edelmenschlichen Spitzenerwartungen dort entsprach und die – das spielte natürlich keine Rolle – wohl Frauen lieber als Männer mag spielt...

Wo lauern endlich  Schicksal, Edelmut, Prüfung?

Es geht los bei „Ganz in Weiß“, das Klettern, das Abseilen, das Blutdruckmessen – gähn.  Wo lauern endlich  Schicksal, Edelmut, Prüfung, die Alpenkönige und Menschenfeinde?

Schon da. Am Ort des Lehrgangs gibt es Konflikte zwischen den Bergführern. Gregor Blanz (Nicholas Reinke), einer der für die Erfurter Ärzte eigentlich zuständigen Bergführer, soll sich egoistisch verhalten haben und am Tod von zwei Menschen schuldig sein. Er verlässt den Kurs und  bricht allein auf, um Beweise aus den Eiswüsten für seine Unschuld zu holen. Gregors schwangere Frau Elisabeth (Gabriela Lindl) ahnt zu Recht, dass ihm etwas passiert ist und fordert sofortige Rettung.

Die Bergwacht aber zögert. Elisabeth will daraufhin alleine in die Berge aufbrechen, um nach ihrem Mann zu suchen. Die Erfurter Gutmenschenärzte aber bekommen Wind von dem Konflikt und – kein Halten –begleiten zusammen  mit einer einheimischen Bergführerin (Cosima Lehninger) die Schwangere. Ist es doch Wahnsinn, so ist es doch Unterhaltung. Der Helfermut der Erfurter kennt keine Höhenangst. Reicht das an Dramatik?

Nein. Zugleich bekommt Klein-Raja daheim in Erfurt Fieber, das unaufhörlich ansteigt. Wir erinnern uns an das abendfüllende Special zum 20jährigen Jubiläum der „Sachsenklinik“, als es Roland Heilmann (Thomas Rühmann) nach Thailand in den Urwald verschlug und er als frischer Witwer eine Liebesbeziehung zu einer schwedischen Kollegin abbrechen musste, weil sein Sohn daheim schwere Probleme mit seinem transplantierten Herzen bekam. Merkwürdig, wie oft TV-Ärzte und ihre TV-Familien vor der Kamera Krankheiten durchleben, als würde man ihre Geschichten sonst nicht glauben.

Der Regisseur von „Ganz in Weiß“, Steffen Mahnert und das Buch (Joachim Friedmann) tun alles, um ihre Rettungsgeschichten mit allem Pathos und voller Identifikationsangebote  zu erzählen ["In aller Freundschaft - Die jungen Ärzte, Dienstag, ARD, 20 Uhr 15]. Bibbern, Barmen, Brausen. Die Musik (Curt Cress, Manuel M. Mayer) erzeugt Lawinengefahr. Das Gute zittert, Seile reißen, Lampen funzeln im Schneesturm.

Natürlich ist der verzweifelte Unschuldsbeweissucher Gregor in eine Gletscherspalte gefallen. Aber: Natürlich siegt der neuteutonische Edelmut über die etwas schläfrige Tiroler Rettungsroutine. Natürlich  durchsticht der vom Leyla-Verehrer gelenkte Hubschrauber die Wolkendecke zu den Gletscherhelden. Natürlich ward ein Kind im Gletschereis geboren, natürlich das rettende Mittel gegen Rajas gemeinen Virus gefunden.  

Wenn es jetzt auf kleinerer Bühne zu Erfurt weitergeht, besteht für den donnerstäglichen Dauerpatienten nach der Gletschersause Anlass zu Neugier: Hat Rin Tin Tin nicht zum Finale die süße Kling fortsetzungsfähig innig geküsst? Endgültiger Abschied sieht anders aus. Ihr Soap-Verächter werdet es nicht mitbekommen. Ihr freut euch, wir freuen uns. So ist Fernsehen.

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