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Nächtliche Begegnung. Nachdem das Flüchtlingskind Djamal (Lilien Batman) Judith Volkmann (Jördis Triebel) vors Auto rennt, forscht sie nach seinem Schicksal.

© ZDF und Mathias Bothor

TV-Film über vermisste Kinder: Flüchtlings-Drama im Krimi-Gewand

Das ZDF-Drama "Vermisst in Berlin" thematisiert das Schicksal verschwundener Flüchtlings-Kinder. Aber warum muss das ausgerechnet in einem Krimi sein?

Kellnerin Judith Volkmann (Jördis Triebel) ist am späten Abend auf dem Weg nach Hause. Im Auto hört sie „Wayfaring Stranger“, einen alten amerikanischen Folksong in der Version von Eva Cassidy. Dann taucht tatsächlich ein „wayfaring stranger“ auf, ein „weit reisender Fremder“. Ein zehnjähriges Kind läuft Judith vors Auto, wird angefahren, rappelt sich stumm wieder auf und rennt nach einer Schrecksekunde davon. Judith will ihn aufhalten, doch der Junge wehrt sich, beißt ihr in die Hand und verschwindet. Ein vermutlich ausländisches Kind, das allein und mit Rucksack durch das nächtliche Berlin irrt? Judith ist alarmiert, und weil sie eine ehemalige Polizistin ist, ruft sie ihren Ex-Kollegen Deniz Kovacevic (Edin Hasanovic) an, der noch im Büro sitzt und arbeitet, während eine – männliche! – Putzkraft den Teppichboden saugt. Aber Deniz nimmt das Gespräch nicht an. „Wie kann man nur so nachtragend sein?“, beschwert sich Judith auf Band. Was da zwischen den beiden vorgefallen ist, bleibt seltsamerweise bis zum Schluss offen.

Das von Sherry Hormann spannend inszenierte Krimidrama „Vermisst in Berlin“ handelt von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die in Deutschland registriert werden, dann aber von der Bildfläche verschwinden. Nach aktuellen Zahlen des Bundeskriminalamts gelten derzeit 3217 als vermisst, allerdings seien die erfassten Fälle nur als Annäherung zu verstehen. Den meisten von ihnen gehe es vermutlich gut, etwa weil sie zu ihren Familien weitergereist oder bei Freunden untergekommen seien, schreiben die Drehbuchautorinnen Frauke Hunfeld und Silke Zertz in ihrem Statement zum Film. „Gleichzeitig aber sehen wir Jugendliche im Berliner Tiergarten, die sich prostituieren. Jungs, die unter Brücken schlafen, in der U-Bahn betteln. Jugendliche, die in einschlägig bekannten Moscheen ein Netzwerk finden. Kinder, die im Görlitzer Park Drogen verkaufen. Wir erfahren von Menschenhandel in Flüchtlingsheimen, organisiert durch kriminelle Clans.“

Hunfeld und Zertz haben mit Helfern, Flüchtlingen, Angehörigen und Polizisten gesprochen. „Von der Ohnmacht auf allen Seiten und von denen, die daraus noch ein Geschäft machen, handelt unsere Geschichte.“

Zwei starke Frauenfiguren

Der Film wird von zwei starken, interessanten Frauenfiguren und ihren Darstellerinnen getragen. Neben Triebel als kellnernde Ex-Polizistin ist das Natalia Wörner als Ex-Prostituierte Evelyn Kraft, die von ihrem aggressiven Liebhaber geschlagen wird, sich aber von ihm nicht unterkriegen lässt. Welchen Geschäften der nachgeht, bleibt offen, vermutlich eher keinen legalen. Das Geld nimmt Evelyn gerne, man darf sie wohl eine Gangsterbraut nennen. Sie fällt Judith gleich zu Beginn in dem exklusiven Restaurant auf, wo Judith arbeitet und Evelyn zu einer unangenehm lauten Gästeschar gehört.

Später trifft Judith in einer Flüchtlingsunterkunft überraschend erneut auf Evelyn, die dort als Geschäftsführerin arbeitet, zu den Bewohnern einen guten Draht hat und verschiedene Sprachen spricht. Evelyn versorgt Judith bereitwillig mit Informationen zum zehnjährigen Djamal (Lilien Batman), der ihr vors Auto lief und seitdem verschwunden ist. Außerdem wird die Leiche eines Kindes gefunden, das Opfer eines Pädophilen wurde.

Wörners und Triebels Präsenz beeindrucken, hinzu kommt in der starken Besetzung der Hauptrollen Edin Hasanovic, der den jungen Abteilungsleiter beim Landeskriminalamt als superkorrekten, aber noch etwas unsicheren Vorgesetzten spielt. Aber warum muss es schon wieder ein Krimi sein, in dem nicht die Geflüchteten, sondern wie so oft die Ermittler im Mittelpunkt stehen? Der Film skizziert geschickt und berührend die Schicksale verschiedener Flüchtlingsfamilien, aber es bleibt bei der gut gemeinten Perspektive von außen: Die geflüchteten Minderjährigen sind nur Nebenfiguren und gehetzte Opfer, die kaum einmal zu Wort kommen.

„Vermisst in Berlin“; ZDF, Montag, 20 Uhr 15

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