zum Hauptinhalt
Von der Versicherungsjuristin zur Anwältin für Versicherungsopfer: Franziska Schlüter (Henny Reents).

© WDR/Zeitsprung Pictures/Guido En

TV-Justizdrama: Antrag abgelehnt

Das Justizdrama „Verunsichert“ im Ersten wirft einen beunruhigenden Blick auf die Assekuranz.

„Nach einer wahren Begebenheit“ ist gleich zu Beginn des Fernsehfilms „Verunsichert“ zu lesen. Tatsächlich macht es sprachlos, dass das hier Gezeigte auf Fakten basiert. Dass es zur Gegenwart der Bundesrepublik Deutschland gehört. Dass es hier und heute und jetzt geschieht.

Franziska Schlüter (Henny Reents) arbeitet bei der Aescuria-Versicherung in Köln und ist dort in erster Linie für die Bearbeitung von Anträgen zuständig: sogenannter – und nun kommt ein hübsches Bürokratenwort – Berufsunfähigkeitsversicherungsanträge.

Die Aufgabe der Juristin ist es vor allem, die Auszahlungen an die Versicherten zu verhindern. Innerhalb der Versicherungsfirma gilt es unter den Mitarbeitern, einander zu übertrumpfen – wer hat die meisten Gelder eingespart, wer bringt der Aescuria also am meisten? Es ist ein System der Konkurrenz und der Perfidie.

Als Franziska Schlüter, glücklich mit ihrem Mann Paul (Otto Emil Koch) verheiratet und Mutter eines achtjährigen Sohnes, eines Tages erfährt, dass sich einer der Versicherungsnehmer das Leben genommen hat, nachdem er den Ablehnungsbescheid erhalten hat, kommen in ihr die Zweifel auf: Kann sie das, was die Versicherung hier betreibt, für sich noch vertreten? „Biologisch erledigt“ lauten solche Fälle wie jener, den Franziska gerade erlebt, im Versicherungsjargon. Es fröstelt einen dabei. Franziska kommt – obwohl ihr Vorgesetzter, der junge, aalglatte, alerte Ulf Buschmann (Steve Windolf) ihr gerade einen höheren Posten anbietet – zu dem Schluss, dass sie es nicht mehr für sich vertreten kann. Sie kündigt und wirft ihre ganze Karriere hin.

Was sie fortan antreibt, nachdem sie in der Kanzlei des Anwaltes Sachtler (Martin Brambach) unterkommt, ist das unschöne Schicksal der Familie Strelau, die nur wenige Häuser weiter wohnt und ebenfalls bei Aescuria versichert ist: Robert Strelau (Simon Böer) sitzt seit einem Unfall im Rollstuhl, seine Frau Anne (Picco von Groote) kümmert sich um alles, jobbt nebenher. Vergeblich warten die Strelaus auf die Versicherungssumme der Aescuria – die Familie wird Franziska Schlüters erste Mandantin.

Ein Kampf im Stil Davids gegen Goliath

„Verunsichert“ – von Jörg Lühdorff („Ein starkes Team“) geschrieben und inszeniert – ist ein kleiner, stiller, sehr feiner Fernsehfilm, vollkommen unaufwendig und unprätentiös gehalten, in seiner Wirkung und seinem Nachhall dafür umso eindringlicher. Das mit einem in sich stimmigen Schauspielerensemble sehr passend besetzte Justizdrama zeichnet einfühlsam und nachvollziehbar den steinigen Weg nach, den Franziska Schlüter geht.

Deren reales Vorbild ist die Bonner Rechtsanwältin Beatrix Hüller, die hier in der kleinen Rolle der Richterin Rossi im Übrigen einen kurzen Gastauftritt im Gerichtssaal hat. So, wie die authentische Beatrix Hüller seit ihrem Ausstieg aus der Versicherungswelt Fachanwältin für Unfallversicherungsrecht ist und primär Versicherungsopfer vertritt, so kämpft die noch unerfahrene, fiktive Anwältin Franziska Schlüter gegen alle Widerstände und Fallstricke, die man ihr seitens des Versicherungsriesen in den Weg zu legen versucht. Es ist, so hat es lange Zeit über den Anschein, ein Kampf im Stil Davids gegen Goliath.

Der Filmtitel „Verunsichert“ (Mittwoch, 20 Uhr 15, ARD) ist dabei doppeldeutig: Anfangs ist die Anwaltsdebütantin verunsichert, zumal sie rhetorisch vor Publikum schon immer sehr unsicher und ungelenk war.

Verunsichert scheinen aber auch die Versicherungsnehmer zu sein, die in Deutschland eine solche Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen haben. Es ist daher gut und wichtig, dass es Frauen wie Beatrix Hüller gibt. Und es ist auch gut, dass es den feinen und bewegenden Fernsehfilm „Verunsichert“ gibt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false