zum Hauptinhalt
Erbitterte Feinde. Gangsterboss Tauss (Tobias Moretti, li.) wurde von Kommissar Lang (Friedrich Mücke) ins Gefängnis gebracht und sinnt nun auf Rache.

© Sat 1

TV-Krimi "Mordkommission Berlin 1": Wildes Berlin

Zurück in die 20er Jahre: Der Sat-1-Krimi "Mordkommission Berlin 1" mit Friedrich Mücke und Tobias Moretti führt zurück in die ausschweifende, aber auch gefährliche Zeit nach dem Ersten Weltkrieg.

Die „Wilden 20er Jahre“, sie stehen für exzessive Feiern, für Charleston, Josephine Baker – aber auch für Wirtschaftskrise, Armut und Verbrechen. 300 Morde verzeichnet die Kriminalstatistik für das Jahr 1926 in Berlin. In diese Welt taucht der Sat-1-Film „Mordkommission Berlin 1“ ein. „Großes Kino fürs Fernsehen“, verspricht der neue Sat-1-Geschäftsführer Kaspar Pflüger. Groß sind sicherlich auch die Hoffnungen, die der Privatsender mit der Produktion verbindet. Zuletzt lief es für Sat 1 häufig nicht so gut. Diesem außergewöhnlichen Historienkrimi ist ein besseres Schicksal zu wünschen.

Der Sat-1-Film beginnt im „Irrgarten“. Die Tänzerinnen des Varités tragen kurze Glitzerkleidchen, der Sekt fließt in Strömen, Bezirksbürgermeister „pudern“ sich die Nase mit Koks und so manche Herren in ihren eleganten Anzügen sind unzweifelhaft als das zu erkennen, was sie wirklich sind: Ganoven. Beim beschwipsten Staatsanwalt Johann Barnekow (Trystan Pütter), der mit seiner hochschwangeren Freundin das Etablissement von Irma Berger (Antje Traue) besucht, steht nicht ganz fest, auf welcher Seite des Gesetzes er wirklich steht. „Die Kriminalität wird man nie ganz besiegen, der Stadt wird ein besserer Dienst erwiesen, wenn man Ringvereine wie die Krokodile kontrolliert, statt sie auszulöschen“, sagt er seinem Freund Paul Lang (Friedrich Mücke). Der ist Kriminalkommissar bei der Mordkommission. Seine Frau und die Tochter hat er bei einem Bombenanschlag verloren, der eigentlich ihm galt. Am Morgen nach dem Besuch des „Irrgarten“ muss er den Tod des Staatsanwaltes aufklären. Dessen in Stücke gerissene Leiche wurde ausgerechnet im Krokodilbecken des Berliner Aquariums gefunden.

Der Aufwand für „Mordkommission Berlin 1“ ist beeindruckend: Kulisse und Kostüme, Maske und Requisite, Pyrotechnik und Post-Production, aber auch Casting und Kamera haben alle Register gezogen. Das Gesamtbild ist stimmig, im „Irrgarten“ genauso wie im Polizeipräsidium, in der Pathologie der Charité oder im Hauptquartier der „Krokodile“. Auf das große Ganze – gedreht wurde in Prag – hat Regisseur Marvin Kren genauso viel Wert gelegt wie auf die Details. Das Buch stammt von Arndt Stüwe und Benjamin Hessler. Der Spannung hätte es gut getan, sich mit anderthalb statt zwei Stunden zu begnügen.

Die wahren Hauptdarsteller sind die Ganoven

Auf der Seite des Rechts stehen Friedrich Mücke als Kriminalkommissar Paul Lang und Frederick Lau (in seinem ersten Krimi) als loyaler Partner Conrad Ruppert, unterstützt von der schönen Assistentin Masha Kampe, die von Emilia Schüle verkörpert wird. Die wahren Hauptdarsteller sind jedoch die beiden Unterweltgrößen Immanuel Tauss (Tobias Moretti) und Viktor Parkov (Oliver Masucci, der in der Kinosatire „Er ist wieder da“ den Hitler gibt). Ihre Grundrechenarten heißen Schutzgelderpressung, Prostitution, Drogenhandel. Hinzu kommen Sprengstoffanschläge und Mord. Lang hat Tauss ins Gefängnis gebracht, eine Aussage von Parkov war dabei sehr hilfreich. Morettis Tauss, der nun auf Rache sinnt, ist derart scharf gezeichnet, dass ihm der tödliche Hass aus den Augen zu sprühen scheint.

Die Figur des Kriminalkommissars hat sogar ein historisches Vobild. Kommissar Ernst Gennat gilt als Vater der modernen Mord-Kriminalistik. Durch seine systematischen Ermittlungsmethoden brachte er es im Berlin der 20er Jahre auf eine Aufklärungsquote von sagenhaften 90 Prozent. Viele seiner Prinzipien bestimmen noch heute den Alltag von Mordermittlern. Aus seinem „Mordauto“, wie es die Berliner nannten, ist zwar inzwischen ein Bus geworden, aber der Einsatzzweck als mobiles Büro und Labor ist geblieben.

Seine Erfolge erzielte Gennat nicht zuletzt durch Einfühlungsvermögen bei Verhören. Manche Befragungen sollen wahre Kaffeekränzchen gewesen sein, bei denen sogar Kuchen gereicht wurde. Auf diese Weise habe Gennat den Verbrechern durch seine fast väterliche Art „zu Geständnissen verholfen“, heißt es in der Sat-1-Dokumentation im Anschluss an den Film.

Gennat hatte eine Vorliebe für Sahnetorte. Wegen seiner 150 Kilo Lebendgewicht wurde er auch „Buddha vom Alexanderplatz“ genannt. Kommissar Paul Lang ist nicht nur von der Statur her ein ganz anderer Typ, eher schroff, unbeherrscht und alles andere als ein Teamplayer. Aber „Mordkommission Berlin 1“ ist ja auch keine Dokumentation, sondern ein gelungener Unterhaltungsfilm.

„Mordkommission Berlin 1“, Sat 1, Dienstag, 20 Uhr 15

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false