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Zhanna Nemzowa, Tochter des ermordeten Kremlkritikers Boris Nemzow, bei "Günther Jauch"

© dpa/Paul Zinken

TV-Kritik "Günther Jauch": Immer zufrieden mit der erstbesten Antwort

Ob Russland unter Wladimir Putin auf dem Weg zu einer Diktatur sei - darüber diskutierten die Gäste bei Günther Jauch. Der Moderator spulte seine vorbereiteten Fragen schematisch ab. Und als es wirklich interessant hätte werden können, war die Sendung vorbei.

Die Zahlen könnten kaum schlechter sein. Nach einer aktuellen Umfrage sind nur 15 Prozent der Deutschen davon überzeugt, dass Russland ein vertrauenswürdiger Partner ist. Und noch eindeutiger – 83 Prozent sind der Meinung, dass die russische Regierung demokratische Grundrechte nicht beachtet.

Günther Jauch und seine Talkshow – keine Insel der Avantgarde. Eher ein kuscheliges Zuhause für Mainstream-Meinungen und Massen-Mutmaßungen. Bei so einem Stimmungsbild kann der aktuelle Sendungstitel nur so lauten: "Putins Russland - auf dem Weg zur Diktatur?"

"Günther Jauch" goes "Bunte"

Statt Begriffserklärung der Herrschaftsform Diktatur spricht Jauch mit Zhanna Nemzowa, der ältesten Tochter des ermordeten Kremlkritikers Boris Nemzow. Im Einspieler zu Boris Nemzow erfährt man, dass die Hauptperson der russischen Opposition vier Kinder hat, von drei Frauen. Jauch goes "Bunte".

Zhanna Nemzowa stellt fest, dass Russland schon eine Diktatur ist. Und, dass die Machthaber mit der Ermordung ihres Vaters eine rote Linie überschritten hätten. Ein Fazit? Und das nach fünf Minuten Sendezeit? Geht doch nicht. Also ab in die große Gesprächsrunde. Und da wird erst mal über den Ort des Attentats philosophiert. Für Ina Ruck, ehemalige Leiterin des ARD-Studios in Moskau, ist der Tatort, ganz in der Nähe des Kremls, ein Symbol. Ein Symbol, was in Russland alles möglich ist und wie die Opposition eingeschüchtert werden soll.

Fülle von möglichen Motiven

Matthias Platzeck, der Vorsitzende des Deutsch-Russischen Forums, sieht das ganz anders. Ihm ist diese Erklärung zu skurril und der Tatort für einen politischen Mord absolut ungeeignet.

Vladimir Kondratiev, Deutschlandkorrespondent für das russische Fernsehen, bringt sieben mögliche Tatmotive im Fall Nemzow ins Gespräch. Opfermord. Märtyrermord. Islamistische Hintergründe. Nemzow soll sich über die französische Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" geäußert haben. Ob positiv oder negativ, wird nicht erwähnt.

Jetzt wäre ein aktiver Moderator nötig. Kein Abspuler vorformulierter Fragen. Keiner, der die Antwort nicht abwartet und gleich die nächste Frage an den nächsten Gast raushaut. Subjektive und gefühlsbestimmte Aussagen könnten hinterfragt werden. Oder auf ihren Wahrheitsgehalt abklopft werden.

Einwände stören Jauch nicht

Der Moderator Jauch aber ist mit der erstbesten Antwort hochzufrieden. Dann kommt ein Beitrag über die Ermordungen einiger Kremlgegner. Von Jauch süffisant, aber unpassend anmoderiert: „Wer sich Putin zum Feind macht, der lebt gefährlich.“

Platzeck ist der Film viel zu suggestiv. Und auch viel zu schlicht. Jeder angeführte Mord hätte unterschiedliche Motive. Unterschiedliche Tathergänge. Unterschiedliche Täter. Die Einwände stören Jauch nicht. Ein Blick auf seinen Zettel. Und es kommen die nächsten Fragen. Wie unabhängig ist die Justiz in Russland? Ist Alfred Reingoldowitsch Koch, Freund von Nemzow und Gegner von Putin, das nächste Mordopfer? Gibt es Pressefreiheit oder Meinungsfreiheit in Russland?

Langweiliges Schema

Je nach Gast fallen die Antworten ganz unterschiedlich aus. Aber immer in strikter und langweiliger Frage-Antwort-Form. Jauch zweifelt nichts an. Widerlegt nichts. Und die Gäste machen es ihm nach.

In einem Nebensatz erfährt man, dass Putin in der Bevölkerung Zustimmungsquoten von 86 Prozent und mehr hat. Jetzt könnte es interessant werden. Ein Staatschef regiert und die Mehrheit der Bevölkerung ist damit einverstanden. Ist das Diktatur? Oder die russische Variante repräsentativer Demokratie? Schade. Da ist die Sendung schon zu Ende.

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