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Früher "Satire Gipfel", heute "Nurh im Ersten": Dieter Nuhr.

© WDR

TV-Kritik zu "Nuhr im Ersten": Das Comedy-Fleisch gammelt

Früher gab es in der ARD den "Satire Gipfel", jetzt heißt die Sendung "Nuhr im Ersten". Besser ist sie deshalb nicht geworden.

Was ist frech? Monatelang alte TV-Konserven wiederholen, weil es im Sommer eh keiner sieht. Was ist unverschämt? Einer alten Sendung einen neuen Titel zu verpassen. Aber ansonsten bleibt alles beim alten. Aus "Satire Gipfel" wird "Nuhr im Ersten". Im "Satire Gipfel" ist Dieter Nuhr zusammen mit anderen Comedians aufgetreten. Jeder hatte seinen eigenen Stand-up. Nuhr saß während der Auftritte der anderen auf der Bühne und hat zugehört. Und wenn die Kamera auf ihm drauf war, verzog er seine Miene zu einem süß-sauren Kollegen-Grinsen. Bei "Nuhr im Ersten" tritt der Dieter zusammen mit anderen Comedians auf, präsentiert Stand up. Nuhr sitzt auf der Bühne, hört zu. Wenn die Kamera auf ihm drauf ist, verzieht er seine Miene zu einem süß-sauren Kollegen-Grinsen. Halt! Der Sessel ist anders. Diese total Ausgeflippten von der ARD. Wechseln mal einfach so den Sessel aus. Welche Verrücktheiten fallen denen noch ein?

Beim Humor kennt die ARD kein Verfallsdatum

Trotz Sendeplatzwechsel und nicht gerade Himmel-Stürmer-Quoten wird mit eiserner Faust am übersichtlichen Minimal-Konzept festgehalten. Die ARD ist halt ein sehr sparsamer Sender. Solange das Comedy-Fleisch noch genießbar ist, wird es auch gesendet. Verfallsdatum? Erfolgszyklus? Kennt man nicht. Auch Dieter Nuhr lässt bei seinen Gags das Mindesthaltbarkeitsdatum schnöde links liegen. Bei den Titeln seiner Bühnenprogramme liebt der Zuchtmeister der deutschen Ha-Ha-Szene subtile Doppeldeutigkeiten wie "Nuhr am nörgeln", "Nuhr weiter so" oder "Nuhr unter uns". Beim ersten Auftritt nach der Sommerpause führt er gut Abgehangenes vor. Über die AfD macht er sich mit wirklich schlecht imitierter Hitler-Stimmlage lustig. Von Mickie Krauses Ballermann-Lied-Text "Geh mal Bier holen. Du wirst schon wieder hässlich" startet er einen Parforce-Ritt über übliches Schmunzel-Allerlei. Humorlose und alkohollose Dschihadisten! Ausbildungslose Almanis, also radikale Deutsche, die so blöd sind, das sie nur als Selbstmordattentäter eingesetzt werden.

Apropos blöd. Auch die Bildungskrise kriegt ihr Fett ab. Bildungsarrogant zitiert Nuhr voll Abscheu, was in Hauptschulen so verzapft wird: "Der damalige Papst Wilhelm der Zweite hat den Mauerbau selbst befohlen." Alle die wissen, dass das doch Wilhelm der Erste war, können sich voll Überlegenheit auf die Schenkel klopfen. Nächster Auftritt: Ingo Appelt. Der atemlose Zappelphilipp der deutschen Comedy-Landschaft zappelt atemlos vor sich hin. Tourette-Syndrom-artig gibt er meistens Til Schweiger, Udo Lindenberg und Grönemeyer zum Besten. Heute holt er Gerhard Schröder, Edmund Stoiber und Dieter Hallervorden (Palim Palim) aus seinem Folterkeller schlechter Parodien. Und weil er sich als Nachfolger für Wowereit bewirbt, kann er auch noch alte Homo-Gags à la "Aus der Avus wird der Anus" recyceln.

Aber es geht noch schlechter. Wilfried Schmickler schafft es sogar, den ausgelutschten "Drei Wetter Taft"-Slogan zu verhunzen: "Ursula von der Leyen, die amtierende Bundesverteidigungsgouvernante mit dem Drei Krisen Taft. Morgens Bagdad. Mittags Kiew. Abends Berlin. Die Frisur sitzt." Über die restlichen Humor-Facharbeiter breiten wir lieber den Mantel der Barmherzigkeit. "Nuhr im Ersten": So langweilige und uninspirierte Possen gibt es zur Zeit wirklich nur im Ersten.

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