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Elise (Jasna Fritzi Bauer, rechts) will ihre betrunkene Mutter (Christina Grosse) abholen.

© Arte

TV-Premiere: Arte zeigt Wolfgang Dinslages Drama "Für Elise"

Das Filmthema "Alkoholismus in der Familie" ist nicht neu. Doch in "Für Elise" ist es so verstörend umgesetzt, dass man hinsehen muss. Auch, wenn man gar nicht will.

Orangensaft ohne Schuss ist langweilig, erst recht an Weihnachten. Ein Schwapp, schon ist Wodka im Glas. Betty (Christina Grosse) schmückt beschwingt und beschwipst den Tannenbaum weiter. Mit Wodka geht alles leichter. Tochter Elise (Jasna Fritzi Bauer) rührt am Herd ratlos in der Festtagsbratensoße und sieht zu. Wie schon so viele Mal davor.

„Für Elise“ ist der bislang einzige Kinofilm von Regisseur Wolfgang Dinslage, der jetzt im Free TV seine Premiere bei Arte hat. Beim Festival des deutschen Films 2012 gewann „Für Elise“ sowohl den Preis für Filmkunst als auch den für das beste Drehbuch, geschrieben von der ungarischen Dramaturgin und Übersetzerin Erzsébet Rácz. Wirklich neu ist das zugrunde liegende Thema „Alkoholprobleme in der Familie“ zwar nicht. Doch hier wird es so verstörend kalt inszeniert und zelebriert, dass „Für Elise“ absolut sehenswert ist. Auch, wenn man eigentlich wegsehen möchte.

Wegsehen: Zum Beispiel, wenn die fünfzehnjährige Elise ihre ausgemergelte Mutter Betty aus Schnapslachen auf dem Fußboden hievt. Wenn Betty Wohnzimmerpartys feiert, obwohl Elise für eine wichtige Mathe-Arbeit lernen muss. Wegsehen: Besonders dann, wenn die Mutter wieder einmal einen One-Night-Stand aus der Disco anschleppt, in der sie längst nichts mehr verloren hat. Mietrückstände, Mahnungen: Wegsehen.

"Für Elise" zeigt: Der Apfel kann weit vom Stamm fallen

Man atmet regelrecht auf, als endlich der kantige Radio-Redakteur Ludwig (Hendrik Duryn) in der Disco – und damit in der Geschichte – auftaucht. Durch den ernsten, alleinerziehenden Vater soll alles besser werden, für Betty und für Elise gleich mit. Doch Bettys guter Vorsatz, den Schnaps Ludwig zuliebe aufzugeben, hält nicht lange vor. In dessen schicker Redakteurswohnung betrinkt es sich nun einmal noch besser. Weil sich Erbrochenes in einer Hochglanzküche aber nicht gut macht, will Ludwig von Betty bald nichts mehr wissen. Dafür umso mehr von Elise – die das durchaus registriert. Und es ihrer ohnehin labilen Mutter im passenden Moment ins Gesicht sagt. Der Traum vom rettenden Radiomann ist ausgeträumt, Totalabsturz vorprogrammiert, Sanitätereinsatz inklusive.

„Für Elise“ lebt vor allem vom ernsten, kühlen Spiel von Jasna Fritzi Bauer, die mittlerweile festes Ensembelemitglied des Wiener Burgtheaters ist. Im Gegensatz zu Christina Grosse, die Betty als sehr sensible, fragile Figur darstellt, lässt Bauer ihre Elise fast schon abgebrüht wirken. Dass sie Mutter und Tochter sind, ist zeitweise nicht zu erkennen; zu unterschiedlich hat Drehbuchautorin Rácz die Charaktere angelegt, zu tief ist die Kluft zwischen ihnen. Regisseur Dinslage filmt aber niemals Sentimentalitäten, sondern ausschließlich Konfrontation. Wie um zu zeigen: Elise und Betty – der Apfel fällt weit vom Stamm.

Offenbar muss sich ein derartiges Drama zwangsläufig in einer Plattenbausiedlung in Jena abspielen. Das könnte allerdings auch daran liegen, dass Drehbuchautorin Rácz in Jena studiert hat und sich mit der Trostlosigkeit der örtlichen Wohnsilos auskennt. Natürlich muss draußen außerdem Winter und eisiges Schmuddelwetter sein: Für derart düstere, statische Einstellungen hat Regisseur Dinslage ein Faible. „Für Elise“ hätte dieses übermäßig beklemmende Ambiente gar nicht mehr nötig gehabt. Für inneres Frösteln sorgt der Filmstoff samt der starken Interpretation der Schauspieler an sich. Spätestens beim Abspann bräuchte man eigentlich einen Wodka, um die Seele wieder aufzuwärmen. Eigentlich. „Für Elise“, Arte, am Freitag, um 20 Uhr 15

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