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Lässt nicht locker: Videoblogger Lukas (Matej Andel) will wissen, was hinter dem Mord an Denis steckt.

© Arte/Ceska Televize

TV-Serie "Mord im Böhmerwald": Rassisten allerorten

Harter Stoff: Mit „Mord im Böhmerwald“ zeigt Arte erstmals eine tschechische Serie.

Eine Fernsehserie über rassistische Vorurteile und Gewalt gegen Afro-Amerikaner im Süden der Vereinigten Staaten würde vermutlich niemanden verwundern. Das Motiv von „Mississippi Burning“ ist fest ins kollektive Bewusstsein eingebrannt, der Erfolg der „Natchez Burning“-Thriller von Greg Iles zeigt, wie aktuell das Thema auch in der Fiktion noch ist. Selbst ein Lynchmord würde in eine solche Erzählung passen – zumal es dafür reale Vorbilder gibt. In Anlehnung an einen solchen Fall hat der amerikanische Showrunner Harold Apter („The Sentinel“) einen Lynchmord nun in die Tschechische Republik verlagert. „Mord im Böhmerwald“ heißt die achtteilige Serie, die das tschechische Fernsehen zusammen mit Arte produziert hat und die nun an diesem und am nächsten Donnerstag ausgestrahlt wird.

Harold Apter hat sich in der Serie – überdies die erste Koproduktion von Arte mit den Tschechen – vor allem um das große Ganze gekümmert. Die Drehbücher selbst stammen von sechs jungen tschechischen Drehbuchautoren.

Gute Geschichten, glaubwürdige Figuren

Grundsätzlich mache es keinen Unterschied, ob eine Serie in den USA oder in Tschechien entsteht, sagt Apter . Überall müsse man sich immer wieder fragen, ob eine gute Geschichte erzählt wird und die Figuren glaubwürdig sind. „Wir alle suchen nach Liebe, stellen uns Fragen über den Tod. Diese Allgemeingültigkeit macht die Figuren interessant“, sagt der Serienmacher. Umso wichtiger ist es, dass „Mord im Böhmerwald“ nicht wie eine x-beliebige US-Serie daherkommt.

Im Original heißt der Achtteiler „The Lynching“, doch dieser Titel nimmt eigentlich zu viel vorweg. Zunächst ist nur bekannt, dass der junge Blogger und Dokumentarfilmer Lukas (Matej Andel) in den böhmischen Ort Buchnov kommt, um einen Film über einen Mord zu drehen, bei dem der Hauptverdächtige aus Mangel an Beweisen wieder freigelassen wurde. Und es gibt noch eine Besonderheit: Bei Denis, dem Mordopfer, handelt es sich um einen Rom, rassistische Motive können somit nicht ausgeschlossen werden. Tatsächlich hält sich das Mitgefühl der Buchnover in engen Grenzen: „Der Zigeuner hat bekommen, was er verdient hat“, sagen einige Ortsansässige.

In einem dürfte Harold Apter jedenfalls recht haben: Gewisse Dinge sind offensichtlich universell. So ist „Mord im Böhmerwald“ eine Serie über Hass und Hetze, über Rassismus, Korruption und Organisierte Kriminalität sowie Untreue und sexuellen Missbrauch. Es ist schon erstaunlich, welche menschlichen Abgründe sich in einer so kleinen Stadt öffnen können. Der Ort selbst erinnert dabei zumindest äußerlich an ostdeutsche Städte in der direkten Nachwendezeit, als sie noch nicht so schön herausgeputzt waren. In diesem Böhmerwald ist der Ostblock noch nicht so lange untergegangen, hier laden verlassene Fabriken geradezu zu kriminellen Aktivitäten ein.

Es mangelt nicht an Fragen

Großen Wert haben Apter und seine sechs Autoren auf die Zeichnung der Figuren gelegt. Da ist Bürgermeisterin Alena Svobodova (Barbora Sporclova Kodetivà), die ihre Augen vor der feindlichen Stimmung gegen die Roma verschließt. Ihr Mann Vladimir ist der Arzt des Ortes – Schauspieler Pavel Kriz gehört durch „Mission Impossible“ zu den bekannteren Gesichtern der Serie. Ein Geheimnis umgibt die schwangere Tochter Helena (Stepanka Fingerhutova). Vater des ungeborenen Kindes soll der ermordete Denis sein. Und warum muss Apothekerin Magda Stranska (Zuzana Stivinova) nebenher noch ein Lager in der stillgelegten Fabrik unterhalten? Und hat der geistig minderbemittelte Jiri Kovac (Jiri Roskot) die Tat tatsächlich allein verübt? Aber vor allem: Kann der Hass auf alles Andersartige, der bereits von den Vätern auf die Söhne übertragen wird, noch gestoppt werden? Es mangelt nicht an Fragen. Das Einschalten lohnt sich. Kurt Sagatz

„Mord im Böhmerwald“, Arte, acht Episoden, 1. und 8. August, jeweils ab 21 Uhr

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