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Viel Zoff davor, weitgehend sachlich im Talk. Die "Hart aber fair"-Sendung über "Heimat Deutschland - nur für Deutsche oder offen für alle?"

© Tsp

TV-Talk "Hart aber fair": Heimat ist für alle da

"Heimat Deutschland - nur für Deutsche oder für alle?" Der Sendungstitel von "Hart aber fair" löst einen Shitstorm aus, der Thema und Talk nicht gerecht wurde.

Und dafür die ganze Aufregung über die „Hart aber fair“-Sendung. Die Ankündigung des Sendungstitels „Heimat Deutschland – nur für Deutsche oder offen für alle?“ hatte ausgereicht, um eine Welle der Erregung in den sozialen Netzwerken auszulösen. Insbesondere die Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli fühlte sich von dieser Themensetzung persönlich angegriffen: „Diese Sprache ist der Grund, warum auch mir gesagt wird, ich soll in meine Heimat zurück, ein Grund für Drohungen, die ich bekomme, für den Hass“, schrieb sie auf Twitter. „Hart aber fair“-Moderator Frank Plasberg erwähnte den Shitstorm am Montag zwar, ging aber auf die Vorwürfe, hier werde ein weiteres Mal ein AfD-Thema aufgegriffen, nicht näher ein. „Wir haben den Shitstorm überstanden“, war sein Kommentar. Der Quote hat es jedenfalls nicht geholfen. Mit 2,31 Millionen Zuschauer und einem Marktanteil von 7,7 Prozent blieb der Talk weit unter dem Durchschnitt von zehn Prozent.

Tatsächlich war es schwer, die Talksendung isoliert zu sehen. Schließlich sollte mit ihr über die vorausgegangene WDR-Dokumentation „Heimatland“ diskutiert werden. Dafür hatte Plasberg Katrin Göring-Eckardt, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, den stellvertretenden bayerischen Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger von den Freien Wählern sowie die Kabarettistin Idil Baydar, den „Bild“-Politikchef Nikolaus Blome sowie den Soziologen Armin Nassehi ins Kölner Studio eingeladen.

Begriffe wie 'Heimat' müssen dringend mehr diskutiert werden, auch und gerade öffentlich und auch, wenn sie jedesmal 'shitstorms' auslösen. Sei's drum, wir dürfen diese Begriffe nicht ausschließlich dem rechten Spektrum überlassen.

schreibt NutzerIn Gophi

„Wer Heimat sagt, ruft Gefühle in die eine oder andere Richtung hervor“, analysierte der Wissenschaftler von der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität die Ursachen für die Aufregung, die mit dem Begriff einhergeht. In der Dokumentation zuvor war erläutert worden, dass der Begriff historisch gesehen immer dann Konjunktur hat, wenn größere gesellschaftliche Veränderungen anstehen. Seit 2015 und dem Beginn der Willkommens-Kultur befindet sich die Gesellschaft in einem regelrechten „Heimatfieber“. „Vielleicht sollten wir über Heimat weniger gefühlsbetont diskutieren“, riet Nassehi. „Heimat kann ein Kampfbegriff sein, der weit über die eigentliche Bedeutung hinausgeht.“

"Dazu gehört, wer da ist"

Katrin Göring-Eckardt glaubt indes nicht, dass dies möglich ist. Ihre Haltung dazu ist klar: Dazu gehört, wer da ist, sagte die Grünen-Politikern. Sie setzte sich dafür ein, sich den Begriff Heimat nicht von Populisten von rechts wegnehmen zu lassen. „Sie sagen Heimat, um sich abzuschotten.“ In eine ähnliche Richtung argumentierte auch Hubert Aiwanger, der selbst aus einem kleinen Dorf stammt, in dem bis vor kurzem jeder seine Haustür unverschlossen gehalten hat und sogar den Zündschlüssel im Auto stecken ließ. Diese Praxis sei aus dem gestiegenen Sicherheitsbedürfnis eingestellt worden beziehungsweise aus Versicherungsgründen, damit Kinder keinen Unsinn mit den Autos anstellen. Was Heimat angeht, plädiert er dafür, nicht die Menschen, die mit Begriffen wie Heimat auf der Suche nach der heilen Welt sind, in die rechte Ecke zu drängen. Menschen können in ihrem Leben verschiedene Heimaten erleben, eine alte und eine neue Heimat haben, sagte Aiwanger.

Einen Disput zwischen dem Vertreter der Freien Wähler und der Grünen-Politikerin erlebten die Zuschauer in der in weiten Strecken sehr sachlich geführten Diskussion jedenfalls nicht. In der Dokumentation war unter anderem von einem Neubaugebiet in der Nähe von Köln berichtet worden, in der auf einen Schlag die Alteingesessenen mit mehreren Tausend neuen Nachbarn konfrontiert wurden – allerdings nicht durch ein Flüchtlingsheim, sondern durch eine große Siedlung mit Ein- und Zweifamilienhäusern, die zu einem Drittel von Menschen mit Migrationshintergrund bewohnt werden. Hubert Aiwanger sieht Probleme vor allem dort, wo Wandel zu schnell geht, wenn den Menschen zu viel auf einmal zugemutet wird. Sich die Zeit für die Annäherung zu nehmen, dafür plädierte auch die Kabarettistin Idil Baydar. Die Forderung an die Deutschen, dass sie sich ganz schnell für alles öffnen sollen, hält sie für „etwas übertrieben“, wie sie unter dem seltenen Applaus der Studiogäste sagte.

"Bringschuld, wer Heimat erwerben will"

Für Katrin Göring-Eckardt wird der Sehnsuchtsort Heimat häufig romantisiert. Seine Heimat nehme man überall mit hin, das gelte auch für die Menschen, die ihre alten Heimaten nicht freiwillig verlassen hätten. Denen müsse man dann auch in Deutschland eine neue Heimat geben können, fordert sie. Mit Bezug auf die Dokumentation, in der ein türkischstämmiger Bewohner der neuen Siedlung berichtete, dass es seine Kinder leichter hätten, weil sie nicht so sehr nach einem Türken wie er mit seinem Schwarzkopf aussähen, mahnte „Bild“-Politikchef Blome von den Migranten eine gewisse Bringschuld, um Heimat zu erwerben, unabhängig von der Augen- oder Haarfarbe.

Auch in dieser Frage biss sich Idil Baydar an dem Boulevard-Journalisten fest. Warum werde sie immer noch gefragt, wie deutsch sie sei, warum müsse sie sich immer noch beweisen, obwohl sie in Deutschland geboren ist?, fragte sie. „Natürlich reagiere ich darauf, wenn die AfD davon spricht, Migranten zu entsorgen“, ärgerte sie sich. Ein echtes Integrationsproblem wird für den Soziologen Nassehi besonders dann sichtbar, wenn das Einzige an einem Menschen, an dem man interessiert ist, die Frage nach der Herkunft ist. Egal, woher die Menschen kommen und wie lange sie schon hier leben. „Legt uns nicht darauf fest, woher deine Großeltern kommen. Diese Empathie sollten wir uns leisten“, mahnte Katrin Göring-Eckardt.

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