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Flüchtlingsheim in Berlin-Hellersdorf.

© Reuters

TV-Talk zu Ausländerfeindlichkeit: Ressentiments mit Argumenten begegnet

Bei Sandra Maischberger war am Dienstagabend der Protest gegen ein Flüchtlingsheim in Berlin-Hellersdorf Anlass, über Ausländerfeindlichkeit zu reden. Das tat die Runde mit Gästen wie Michel Friedman und Heinz Buschkowsky, ohne die Ängste vieler Menschen mit Rassismus zu verwechseln.

Die Qualität einer Talkshow lässt sich nicht unbedingt immer danach messen, wie gegensätzlich diskutiert sind, wie unterschiedlich die Ansichten sind – es muss nicht immer krachen und poltern, und wenn sich am Ende mal alle einig sind, dann ist das manchmal nicht verkehrt.

Die Sendung „Menschen bei Maischberger“ lieferte dafür am Dienstagabend den Beweis, obwohl sich das Team ein Thema aussuchte, bei dem in der Vergangenheit in Talkshows schon mal tatsächlich die Hölle los war: „Wut auf Asylbewerber – sind wir Ausländerfeinde?“ Der Anlass zu dieser Themenwahl waren natürlich die Bilder aus Berlin-Hellersdorf, wo in der vergangenen Woche Anwohner Asylsuchende mit Hitlergruß und der Parole „Nein zum Heim“ empfangen haben. Die Sendung begann dann auch mit diesen Bildern, mit Sätzen von Anwohner, in manchen schwang Ablehnung, Angst, Hass mit, in anderen aber auch Unterstützung, Solidarität. Danach gelang Sandra Maischberger und den Gästen das schöne Talkshowkunststück, die Emotionen wegzulassen und ruhig und sachlich miteinander zu sprechen, über eine Stunde lang. Langweilig? Nö. Diesmal nicht.

Langweilig war höchstens der als Krawallbruder gecastete Philipp Gut, stellvertretender Chefredakteur der Schweizer „Weltwoche“, der immer mal wieder versuchte seinem Ruf gerecht zu werden und auf die angeblich steigende Kriminalität im Umfeld von Asylbewerberheimen hinzuweisen. Die anderen Gäste taten gut daran, nicht zu sehr auf den Mann einzugehen, das hätte die Stimmung womöglich zu sehr aufgeheizt und für eine Atmosphäre gesorgt, die weder der Sendung, noch dem Thema zuträglich gewesen wäre.

Gut verstummte irgendwann, und Maischberger zeigte auch kein Interesse daran, den Mann zu sehr in die Diskussion einzubinden – sie wies nicht darauf hin, dass Gut für eine der dümmsten Geschichten im deutschsprachigen Journalismus der letzten Zeit verantwortlich war, nämlich für die „Weltwoche“-Titelgeschichte „Sie kommen, klauen und gehen“ über Roma in der Schweiz (nebenbei wetterte Gut in der Vergangenheit auch gegen Homosexualität – in deutschen Talkshows und in dem rechtsextremen Magazin „Zuerst!“).

Die Runde bewegte sich auf einem anderen Niveau – dank Maischbergers Gesprächsführung und dank der Gäste: Michel Friedman argumentierte mit Rechtsstaatlichkeit und Weltoffenheit; Heinz Buschkowsky, Bürgermeister von Neukölln, gelang das Kunststück einerseits auf die Grenzen sozialer Belastbarkeit hinzuweisen und damit die Ängste mancher Hellersdorfer ernst zu nehmen, und andererseits die Notwendigkeit der Integration als gesellschaftlichen Motor hervorzuheben; die Moderatorin Khadra Sufi schilderte zum einen eindrucksvoll ihr eigenes Leben als Flüchtlingskind und stand gleichzeitig für eine gelungene Integration; die ARD-Journalistin Caroline Walter berichtete von ihrem Selbstversuch, bei dem sie vier Wochen in einem Flüchtlingsheim lebte – und wies darauf hin, dass die Heime in der Regel „weg von der Gesellschaft“ stünden, was einer Integration nicht gerade förderlich sei. Es waren gerade diese Versäumnisse beim Bemühen um Integration, über die sich die Gäste einig war und über die sie konstruktiv sprachen. Allerdings saß da keine Gutmenschenrunde beisammen, die pauschal die Ängste der Menschen mit Rassismus verwechselte. Die Gäste nahmen diese Ängste ernst, man müsse aber den Ängsten mit Argumenten begegnen.

Ein gutes Argument war diese Sendung.

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