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TV-Unterhaltung: Die Sender suchen nach der genialen Idee

„DSDS“ macht Schlager, „Wetten, dass..?“ wird neu justiert und um Helene Fischer gestritten: Wenn es um die Zukunft der Show im deutschen Fernsehen geht, macht ein Zauberwort die Runde.

Deutsche Unterhaltungsshows – das war einmal ein fest zementiertes Metier. In der ARD schunkelte der „Musikantenstadl“ mit Karl Moik, im ZDF lief „Wetten, dass..?“ mit Thomas Gottschalk, dazu Volksmusik bei Marianne und Michael und bei RTL pöbelte Dieter Bohlen in „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS). Das Publikum schien aufgeteilt: Die Generation Kukident schaute öffentlich-rechtlich und die Jugend Castingshows bei den Privaten. Doch die Zeiten haben sich geändert.

Das Erste schickte Moik in Rente und ging mit Andy Borg und Florian Silbereisen auf Zuschauerfang. Das ZDF trennte sich geräuschvoll von Carolin Reiber und allen Volksmusikshows. Markus Lanz hat von Gottschalk „Wetten, dass..?“ übernommen, nach fulminantem Quotenauftakt ließ er zuletzt viele Federn. Bei „DSDS“, das an diesem Samstag in der zehnten Staffel Finale feiert, sitzt immer noch Dieter Bohlen in der Jury. Doch um die Siegprämie duellieren sich eine Schlagerprinzessin aus der Schweiz und eine Erzgebirglerin – beide des Englischen nur bedingt mächtig. Die Zuschauer haben RTL dafür mit sinkenden Quoten bestraft. Die Show ist ein Auslaufmodell wie „Willkommen bei Carmen Nebel“, das parallel zum „DSDS“-Finale im Zweiten läuft. Zwar hat das ZDF gerade den Vertrag mit der 56-jährigen Nebel verlängert, aber nur für zwei Jahre zu halbierten Bezügen – zumindest bestellte das ZDF nur noch drei statt sechs Ausgaben pro Jahr, verbunden mit der Aufforderung, mehr junge Leute anzulocken. Mit Al Bano Carrisi und The Sweet wie jetzt in Klagenfurt ein eher hoffnungsloses Unterfangen.

Wie soll es weitergehen? Fragt man die Verantwortlichen bei ARD und ZDF, erhält man überraschende Antworten. Die Branche wartet auf eine Art Eingebung, das nächste große Ding, und setzt bis dahin auf erfolgreiche Köpfe, die dann aber gleich überall zu sehen sind.

Wie sehr es für Veränderungen bereit ist, hat das ZDF mit einer wichtigen Personalie klar gemacht: Oliver Fuchs beerbte als ZDF-Showchef Ende 2012 Manfred Teubner. Fuchs hatte als kreativer Kopf von eyeworks erfolgreiche Formate für die RTL-Group gezimmert. Er sehe kaum noch Unterschiede zwischen öffentlich-rechtlicher und privater Unterhaltung, sagte er 2011. Nun ist er erfolgreich dabei, das ZDF zu verjüngen. „Das Alter des ZDF-Zuschauers lag 2012 noch bei 62 Jahren, in den ersten Monaten 2013 sind wir schon bei 60“, frohlockt Fuchs und gibt das Ziel vor: „47 ist die Mitte. Wir wollen ja gar nicht ganz jung werden, aber die Jüngeren auch nicht ausschließen.“

Beflügelt wird Fuchs durch die Jubiläumsshow des ZDF, die nicht nur unerwartet hohe Quoten brachte, sondern auch die Erkenntnisse, dass Maybrit Illner ebenso leichte Unterhaltung kann. Und dass die ZDF-Zuschauer die „heute show“ vor „Neues aus der Anstalt“ zur beliebtesten ZDF-Sendung aller Zeiten wählten. Kabarett und Comedy sollen weiter ausgebaut werden, sagt Fuchs: „Sendungen wie die ,heute Show‘ erschließen uns neue Zuschauergruppen.“ Ein neues Kabarettformat mit Jörg Thadeusz soll in der Sommerpause auf dem „heute show“- Platz am Freitagabend ausprobiert werden.

Selbst „Wetten, dass..?“ ist auf dem Prüfstand. Nach der Mallorcaausgabe am 8. Juli soll die Show neu justiert werden. „Der Kern ist eine große Gameshow wie ,Schlag den Raab‘ und andere gute Formate. In Zukunft haben wir lieber eine Wette mehr als einen internationalen Topact“, sagt Fuchs.

„Factual Entertainment“ heißt das Zauberwort für neue Formate. Unterhaltung, mit echten Kandidaten, nicht im Studio geschnitten. Fuchs will Machart und Erzählweise verändern: Immer den Kopf zum Format finden – nicht umgekehrt. So sei Inka Bause, die ab Herbst eine tägliche ZDF-Talkshow um 15 Uhr 05 bekommt, nicht gesetzt gewesen, „aber sie hat uns in dem Fall überzeugt. Natürlich ist es einfacher mit bekannten Köpfen ein Rauschen zu erzeugen. Jörg Pilawa sorgte für eine gewisse Konstanz. Das ist ja die Strategie, die die ARD genau mit ihm verfolgt.“

Das ZDF kann sich des Personenkults nicht erwehren, wenn der Name Helene Fischer fällt. Nach der „Helene Fischer Show“, die im Winter im Zweiten laufen wird, würde man Fischer „gerne fester ans ZDF binden. Aber sie will sich da noch nicht festlegen. Dabei glaube ich, dass es gut ist für einen Künstler, eine Senderheimat zu haben“, sagt Fuchs. Sein Kontrahent ist dabei ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber. Der stellt vorsorglich klar: „Helene Fischer hat sich keineswegs von der ARD verabschiedet. Wir werden auch weiterhin in vielfältiger Form mit ihr zusammenarbeiten. Über neue Projekte sind wir im Gespräch.“

Eines davon verrät der neue MDR-Unterhaltungschef Peter Dreckmann, der auch die ARD-Doku „Allein im Licht“ über Helene Fischer, die am Donnerstag 3,01 Millionen Zuschauer erreichte, verantwortete: „Wir zeichnen ein Open Air bei ihrer Tournee am 6. Juli auf und zeigen es wenige Wochen später im MDR. Wir werden weiterhin mit ihr zusammenarbeiten.“ Der MDR fühlt sich als Fischers mediale Heimat. Doch auch die RTL/ZDF-Inka-Bause soll hier dieses Jahr noch zwei Specials tragen und ebenso 2014 das MDR-Programm verschönern.

ZDF-Mann Fuchs sagt: „Ob ARD, RTL oder wir. Da kochen alle in derselben Suppe. Wir müssen Punkte finden, wo wir uns abgrenzen von ARD und RTL. Am Ende haben aber alle das gleiche Problem: Die Suche nach dem Primetimeformat. Die wenigen erfolgreichen Formate können sie an einer Hand abzählen. Kommt so ein Format, muss man schnell reagieren, sonst hat man ein Problem. Wir könnten bei Bedarf relativ schnell eine Eventfläche freischaufeln, zum Beispiel am Donnerstagabend.“ Er wird aufhorchen, wenn Schreiber ankündigt, dass Pilawa nach seiner Rückkehr ins Erste „eine neue, international erfolgreiche musikalische Entertainmentshow“ bekommt, während Günther Jauch nur „ein gern gesehener Gast in unseren Unterhaltungsformaten ist“.

Einig sind sich alle, dass das Format Show kein Auslaufmodell ist. „Ein Sender ohne Show wäre kein Vollprogramm. Show bietet neben Sport und News den wahrhaftigen Livecharakter“, sagt Fuchs. Auch Schreiber lässt das Argument nicht gelten, dass Shows unnötig hohe Kosten verursachen, weil sie nicht wiederholt werden können. Er argumentiert mit der Quantität. „Shows wie ,Klein gegen groß‘ von 180 Minuten Länge oder die ,Feste der Volksmusik‘ erreichen im Ersten regelmäßig hohe Zuschauerzahlen und werden in den Dritten Programmen der ARD wiederholt. Unter dem Kostenaspekt werden wir zukünftig neue Shows, da wo es sinnvoll ist, verstärkt seriell produzieren und programmieren.“ ZDF-Programmplaner Martin Berthoud beschwört die Bindekraft der Show: „Ohne die Beziehung, die man dadurch zum Publikum hat, kann ein Sender nicht auskommen.“ Er glaubt sogar einen Trend zu erkennen: „Weg von den Shows, in denen es hart zur Sache geht, stattdessen sieht man lieber den vernünftigen Umgang miteinander, auch Hochzeitsshows haben wieder Konjunktur.“

Es könnte das ein oder andere Revival geben. Vielleicht sogar von Thomas Gottschalk. Mit dem hat MDR-Mann Dreckmann mitgelitten, als er bei RTL unterging: „Ich fand es schade, denn er ist nach wie vor einer der ganz großen Moderatoren in Deutschland.“ Ansonsten setzt Dreckmann auf die gleichen Formate wie das ZDF: Comedy und Kabarett sollen im MDR ausgebaut werden – gerne auch mit ZDF-Rentner Wolfgang Stumph: „Er ist ja noch immer eine feste Größe.“ Fragt sich nur, für welche Zuschauer im beliebigen Senderallerlei.

„Deutschland sucht den Superstar – Das Finale“, RTL; „Willkommen bei Carmen Nebel“, ZDF, jeweils 20 Uhr 15

Jörg Seewald

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