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Twitter: Übertriebene Gerüchte vom vorzeitigen Tod

Erstmals fiel das Twitter-Wachstum nur einstellig aus. Dabei sagt nun auch Bill Gates „Hello World“

Montag, 18. Januar: US-Präsident Barack Obama verschickt seine erste Twitter-Botschaft. „Präsident Obama und die First Lady besuchen gerade das Rettungszentrum“, lautete sie, bevor die Mitarbeiter ergänzten: „Die letzte Twitter-Nachricht stammte von Präsident Obama. Es war seine allererste!“ Dienstag, 19. Januar: Bill Gates, Gründer des IT-Giganten Microsoft und Chairman der Bill & Melinda Gates-Stiftung verschickt sein erstes „Hello World“ via Twitter. In drei Tagen versammelt Gates über 300 000 Follower hinter sich. Mittwoch, 20. Januar: Eine US-Studie hat ermittelt, dass Twitter im Oktober 2009 nur noch um 3,5 Prozent gewachsen ist. Im Frühjahr, so die Marktbeobachter von HubSpot, hatte die Wachstumsrate immerhin noch 13 Prozent betragen. Speziell in Deutschland hält sich die Begeisterung für das „Zwitschern“ in Grenzen. Während sich immer mehr Deutsche über Facebook austauschen, liegt Twitter hierzulande abgeschlagen auf Rang 9. Hat Twitter also seinen Zenit überschritten, so wie zuvor die Parallelwelt Second Life? Als virtuelle Litfaßsäule für neue Werbeformen setzte sie zu einem kurzen Höhenflug an, als dauerhafter Lebensraum für digitale Nomaden konnte sie sich nicht durchsetzen. Nach dem Hype kam für Second Live der Totalabsturz. In der öffentlichen Wahrnehmung spielt die bunte Zweitwelt keine Rolle mehr, bestenfalls als Beispiel für die völlige Überbewertung eines technischen Trends.

Für einen plötzlichen Tod von Twitter gibt es allerdings keine Anzeichen. Auch das späte Interesse von Bill Gates ist kein Indiz dafür. Bekanntlich war der Ex-Microsoft-Chef auch beim Internet zunächst äußerst reserviert. So fehlte im Microsoft-Betriebssystem Windows 95 ein vernünftiger Internet-Browser, weil Gates sich nicht sicher war, ob das World Wide Web mehr ist als ein kurzfristiges Phänomen. Als dann wenig später niemand mehr am Internet vorbeikam, steuerte Gates um und machte das Internet zur Chefsache. Was folgte, ging als Browserkrieg zwischen Microsoft und Netscape in die IT-Geschichte ein.

Fast ähnlich lange ist es aber auch her, dass der Handy-Kurznachrichtendienst SMS als Vorläufer von Twitter zum Debattenthema taugte. Niemand ist mehr besorgt, dass das ständige Simsen zu genetischen Veränderungen der Daumenform führt. Und auch die Angst, kommende Generationen könnten sich nur noch in 160-Zeichen-Diskussionen unterhalten, hat sich als falsch erwiesen. Wie bei Twitter. Wer hier mehr zu sagen hat als „bin gerade einkaufen“, packt eine Kurz-Adresse zur 140-Zeichen-Message. Damit kann dann beispielsweise die Sängerin Courtney Love ihren Fans die neue Tattoo-Sammlung via Twitter zeigen. Auch wenn sich die Wachstumskurve derzeit abflacht, die bereits vorhandenen Twitter-Fans werden im Verschicken von Nachrichten und Statusberichten immer aktiver. Allein von Juli bis Oktober nahm die Zahl der Tweets pro Konto um 300 auf 420 zu.

Die Fragezeichen, die nach der Twitter-Studie hinter die Zukunft des Nachrichtendienstes gestellt wurden, haben weniger mit der mentalen Überhitzung des Twitter-Ichs zu tun als vielmehr mit der Fortsetzung des ewigen Generationenkonflikts. Beispielsweise weiß Hollywood-Haudrauf Bruce Willis recht wenig mit Twitter und Social Media anzufangen. Das könnte aber auch mit seinem neuen Film „Surrogates“ zusammenhängen. Darin werden Menschen durch Roboter-Kopien ersetzt. Kurt Sagatz

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