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Berichte aus der Ukraine: Wie Schwarz-Weiß-Zeichnungen?

© AFP

Update

Ukraine-Konflikt: ARD kritisiert ARD

Der ARD-Programmbeirat teilt die Publikumkritik zur Ukraine-Berichterstattung. Das Erste habe einseitig, wenig differenziert und lückenhaft berichtet. Sahra Wagenknecht (Linke) und Alexander Gauland (AfD) kritisieren mit.

Erst haben mehr und mehr Zuschauer die ARD-Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt moniert, jetzt hat ein ARD-Gremium die Publikumskritik bestätigt. Der ARD-Programmbeirat hatte in seiner Juni-Sitzung Beiträge analysiert, die seit Ende 2013 im Ersten ausgestrahlt worden waren. „Zu diesem methodisch ungewöhnlichen Vorgehen“ sah sich das Gremium veranlasst, „nachdem einige Rundfunkräte sowie zahlreiche Zuschauer/innen Kritik an der Ukraine-Berichterstattung im Ersten geübt und dabei vor allem Einseitigkeit zulasten Russlands, mangelnde Differenziertheit sowie Lückenhaftigkeit beklagt hatten.“ Nach eigener Sichtung von „Brennpunkt“-Sendungen, einiger Talkshows, sprich von drei Vierteln aller Sendungen zum Thema kam der Programmbeirat selbst zu dem Ergebnis, „dass die Berichterstattung im Ersten über die Krise in der Ukraine teilweise den Eindruck der Voreingenommenheit erweckt hat und tendenziell gegen Russland und die russischen Positionen gerichtet war“, wie es im Protokoll heißt.

ARD-Chefredakteur Thomas Baumann hat auf diese Kritik am Donnerstag reagiert. „Den Vorwurf einer einseitigen und tendenziösen Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt weise ich energisch zurück“, sagte er dem Tagesspiegel. Dies habe er auch dem ARD-Programmbeirat deutlich gemacht. „Es gab und es gibt zahlreiche Beiträge, Sendungen und Sondersendungen im Ersten Programm, die in der Summe die Lage in der Ukraine und die Ursachen der Krise differenziert und unter verschiedenen Aspekten thematisiert haben und thematisieren“, sagte Baumann weiter. Die Korrespondentinnen und Korrespondenten vor Ort trügen unter schwierigsten Bedingungen mit ihrer Arbeit entscheidend dazu bei, das ARD-Publikum umfassend und so wahrheitsgetreu wie möglich zu informieren. An der Anstrengung der betroffenen Sendermitarbeiter lässt der Programmbeirat keine Zweifel aufkommen: „Engagement und Einsatz der Reporter/innen vor Ort sind in hohem Maße anzuerkennen.“

Das Protokoll listet eine Reihe von Versäumnissen auf

Der Programmbeirat ist ein föderal zusammengesetztes Beratungsgremium der ARD. Die Rundfunkräte der neun Landesrundfunkanstalten entsenden jeweils ein ordentliches und ein stellvertretendes Mitglied in den Beirat. Im Kern soll das Gremium auf die Einhaltung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrages achten. Kritik ist die schärfste Waffe, Sanktionsmöglichkeiten bestehen keine.

Trotzdem bleibt der aktuell gewordene Vorgang gewichtig, weil die Kritik auf einer intensiven Sichtung des Materials beruht und einstimmig formuliert wurde. In der Recherche zum Ukraine-Konflikt, so steht es im Protokoll, seien wichtige und wesentliche Aspekte nicht oder nur unzureichend beleuchtet worden, „obwohl sie für ein Urteil über die Situation essentiell gewesen wären“. Für ein ausgewogenes Urteil müsse auf hohe Vollständigkeit geachtet werden. Soweit dies in der aktuellen Berichterstattung nicht sofort geleistet werden könne, müsse es in Formaten der Hintergrundberichterstattung, in den „Tagesthemen“, in den Magazinen und in speziellen Features, aber auch mit geeigneten Experten in den Talkformaten nachgeholt werden.

Zu Beginn der Ukraine-Krise wirkten Berichte wie Schwarz-Weiß-Zeichnungen

Das Protokoll listet dazu eine ganze Reihe von Versäumnissen auf. Gefehlt hätten zum Beispiel differenzierende Berichte über die Verhandlungen der EU über das Assoziierungsabkommen, dessen genaue Inhalte, seine Tragweite und seine Vereinbarbeit mit russischen Interessen; Beiträge über die politischen und strategischen Absichten der Nato bei der Osterweiterung und in der Ukraine-Krise; Berichte über Rolle und Legitimation des sogenannten Maidan-Rats bei politischen Entscheidungen, sein Zustandekommen und seine Zusammensetzung und die Rolle der radikal nationalistischen Kräfte, insbesondere Swoboda, in diesem Rat. Nach Ansicht des Programmbeirats wäre in diesem Zusammenhang eine gründlichere Recherche durch die politischen Redaktionen notwendig und hilfreich, für eine vollständige Hintergrundberichterstattung im Grunde unentbehrlich gewesen.

Was für die Berichterstattung zu Beginn der Ukraine-Krise galt – eine Schwarz-Weiß-Zeichnung zugunsten der Maidan-Bewegung und zulasten der russischen und der abgesetzten ukrainischen Regierung –, das ist in den Augen der Programmbeiräte so nicht fortgesetzt worden. „Mit Fortschreiten der Krise war jedoch eine Änderung in der Farbe der Berichterstattung im Ersten zu registrieren: Sie erschien – vielleicht in Reaktion auf die Zuschauerkritik - etwas objektiver."

Linken-Politikerin Wagenknecht und AfD-Vize Gauland schließen sich Kritik an

Die Vize-Vorsitzende der Linksfraktion, Sahra Wagenknecht, hat die ARD mit Blick auf den Programmbeirat ebenfalls scharf kritisiert. „Der Bericht des Programmbeirats zur Ukraine-Berichterstattung der ARD ist vernichtend und bestätigt, was seit Monaten überdeutlich ist: Die ARD berichtet unausgewogen und tendenziös und positioniert sich in ihren Sendungen über den Ukraine-Konflikt einseitig gegen Russland“, sagte Wagenknecht handelsblatt.com „Die größte Sendeanstalt der Bundesrepublik missbraucht damit eklatant ihren Informationsauftrag und macht sich zum willfährigen Handlanger politischer Interessen. Dies ist nicht hinnehmbar.“ Wagenknecht betonte, die ARD sei ebenso wie das ZDF „zwingend“ der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit verpflichtet. „Nur so sind die Zwangsgebühren, die von der gesamten Bevölkerung erhoben werden, zu rechtfertigen." Die ARD sei eine Anstalt öffentlichen Rechts und „keine politische Redaktion der Bundesregierung oder gar der US-Administration“. Der Vize-Vorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD), Alexander Gauland, kann die Kritik des Pressebeirates „sehr gut“ nachvollziehen. „Öffentlich-Rechtliche Sender haben das Gebot der Neutralität in ihrer Berichterstattung unbedingt einzuhalten“, sagte Gauland. „Dieser Fall ist ein schönes Beispiel dafür, wie unser Rundfunkbeitrag für politische Zwecke missbraucht wird.“

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