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"Free Uli" - Bayern-Fans machen sich für ihren Helden stark. In der Presse wird Hoeneß' Verurteilung als mild bis angemessen kommentiert.

© dpa

Uli Hoeneß in der Presseschau: Gott, Bayern München, der Hundling - und der Hund

Uli Hoeneß, der Präsident des FC Bayern München, wurde zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Was schreiben die Kommentatoren der Zeitungen dazu? Und was meinen Sie, liebe Leserinnen, liebe Leser?

Von Markus Hesselmann

Hier ein Überblick, bei dem sich als wichtige Fragen ergeben: Ist das Urteil angemessen? Welche Aussichten hat eine Revision? Was bedeutet das Urteil für den FC Bayern? Wie und wo guckt Uli Hoeneß künftig Fußball? Und wie ergeht es seinem Hund?

Dreieinhalb Jahre Gefängnis seien eine "Milde Strafe für einen maßlosen Mann", meint Wolfgang Krach von der "Süddeutschen Zeitung". "Die Maßlosigkeit der kriminellen Energie, mit der Hoeneß jahrelang den Staat hinterging, haben sich viele nicht vorstellen können", schreibt der stellvertretende Chefredakteur des Münchener Blatts. Die Richter hätten dem Angeklagten alles zugute gehalten, "was man ihm zugute halten kann - sein soziales Engagement, sein Lebenswerk und sein (spätes) Geständnis." Doch noch im Vorfeld des Prozesses habe Hoeneß Fehler gemacht. "Er hätte, wie Juristen sagen, 'tätige Reue' zeigen müssen. Er hätte sein Amt als Präsident des FC Bayern niederlegen, den Vorsitz des Aufsichtsrates der FC Bayern AG abgeben und sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen müssen." Das sei nun unumgänglich. "Er wird jetzt die beiden Ämter verlieren, die er in jedem Fall behalten wollte."

Als einer von wenigen Kommentatoren befasst sich Wolfgang Krach am Tag danach auch schon mit fußballerischen Konsequenzen: "Für Bayern wird damit alles anders. Der größte und wirtschaftlich erfolgreichste Fußballklub der Welt verliert seinen Antreiber, sein Bindeglied, seine Mitte. Es wäre falsch zu glauben, dass das nicht auch sportlich Folgen haben kann."

"Die Revision beim Bundesgerichtshof erscheint alles in allem wenig aussichtsreich", schreibt Hans-Jürgen Jakobs im "Handelsblatt" (gedruckte Ausgabe). Schon das Landgericht München hätte "kaum eine andere Wahl" gehabt als die Verurteilung ohne Bewährung. Zu viele Ungereimtheiten auf Seiten Hoeneß' habe der Prozess offenbart, etwa die Selbstanzeige "ein paar Stunden, bevor die Steuerfahndung mit Ermittlungen beginnen wollte" und der "Stern" bereits in Sachen Hoeneß recherchiert hatte.

"Der Hauptfehler des Verurteilten war, nicht schon längst seine Ämter beim FC Bayern niedergelegt zu haben", schreibt Jakobs weiter. Mit dem nüchternen Blick des Wirtschaftsjournalisten weist der Chefredakteur des "Handelsblatts" dann auf einen weiteren wichtigen Aspekt in Bezug auf den FC Bayern und dessen Sponsoren hin: "All die prominenten Mitgesellschafter aus der Wirtschaft - VW, Adidas, Allianz - sind mitbeschädigt, weil sie in ihren Konzernen die schönsten Compliance-Regeln predigen die bei ihrer Fußballabteilung aber offenbar nichts zählen." Jakobs sieht nun Steuerfahnder und Finanzminister als Gewinner des Verfahrens und erwartet einen "Hoeneß-Effekt" mit noch mehr Selbstanzeigen. Gleichzeitig fordert er, dass "die Steuer insgesamt einfacher und besser nachvollziehbar" gemacht werden müsse. Das gehöre zur "wirklichen Steuerehrlichkeit".

Auch Matthias Brügelmann hält das Urteil in "Bild" für "gut für die Steuer-Moral". Diesen Effekt hätten die Richter im Blick gehabt und nicht zuletzt deshalb sei das Urteil gerecht. Der Kommentator korrigiert sich selbst, denn vor ein paar Tagen war er noch gegen eine Gefängnisstrafe. Den Sinneswandel begründet Brügelmann mit den neuen Enthüllungen im Prozessverlauf, etwa der deutlich gestiegenen Summe der hinterzogenen Steuern. Es sei aber immer noch "ein unvorstellbarer Gedanke, dass Hoeneß die Spiele seines FC Bayern schon bald nicht mehr auf der VIP-Tribüne, sondern am Fernseher im Gemeinschaftsraum einer JVA verfolgen wird". Aber "bei allem Respekt" müsse man sagen: "Er hat es sich selber zuzuschreiben."

"FAZ"-Kommentator Albert Schäffer war das Verfahren zu zügig. Zu viele Fragen seien offen geblieben. Wie Jakobs hätte auch Schäffer gern mehr über den fußballerisch-industriellen Komplex erfahren: "Warum war der vermögende Fußballmanager und Wurstfabrikant auf fremdes Startkapital für seine Schweizer Spekulationsgeschäfte angewiesen?", fragt Schäffer. "Warum stammte dieses Geld von dem damaligen Adidas-Chef, mit dessen Unternehmen der FC Bayern eng verbunden war? Warum kam Adidas bei der Verlängerung eines Ausrüstervertrags zum Zuge, obwohl ein Konkurrent ein höheres Gebot abgegeben haben soll?" Strafrechtliche Vorwürfe, die sich mit solchen Fragen stellten, seien zwar verjährt – "aber um sich ein Bild von dem Angeklagten zu machen, hätte das Gericht einen Blick darauf werfen müssen". Da bleibt in jedem Fall noch viel Raum für journalistische Recherchen.

Ungewöhnlich sachlich, aber doch volksnah kommentiert die "taz": Das Urteil sei "ausgewogen und angemessen", schreibt Christian Rath. Die Ankündigung einer Revision und deren Begründung, Hoeneß habe doch an der Aufklärung mitgewirkt, seien "Nebelkerzen (die vielleicht nur Hoeneß' Position im Verein retten sollen)". Hoeneß habe bei seiner Selbstanzeige nicht völlig freiwillig gehandelt, "sondern weil Journalisten bereits hinter ihm her waren. Außerdem ging es um Beträge, für die die meisten von uns ein Leben lang arbeiten".

Für "Berliner Zeitung" und "Frankfurter Rundschau" sieht Christian Bommarius das Hoeneß-Urteil als Symptom eines Wandels: "Zwar ist der Fahndungsdruck in Deutschland noch immer bescheiden, noch immer wird den Steuerbehörden eine vernünftige Ausstattung verweigert, schreibt der Kommentator. "Immerhin aber hat sich die Stimmung in der Bevölkerung verändert, und verändert hat sich auch die Rechtsprechung: Seit der Bundesgerichtshof klarstellte, dass Steuerbetrüger ab einer Million Beute im Allgemeinen keine Bewährungsstrafe mehr erwarten dürfen, und auch die Anforderungen an eine wirksame Selbstanzeige verschärfte, ist eine abzusitzende Freiheitsstrafe für Betrüger wie Hoeneß ein realistisches Szenario."

In höheren, religiösen Sphären bewegt sich Thomas Schmid in der "Welt" . Vom "gefallenen Gott" ist die Rede, von "Acht und Bann" und vom "Büßerhemd", das er "meinte sich überziehen zu müssen" , das ihm aber "überhaupt nicht steht". Letzteres ist durchaus interpretierbar als Rempler nicht nur gegen Hoeneß, sondern auch gegen die Kollegen der "Zeit", die dem Bayern-Boss im vergangenen Jahr die Gelegenheit zum großangelegten Mea-Culpa-Interview gaben. Als irdischen Kontrast führt Schmid den "Hundling" ein, den typisch bayerischen, rücksichtslosen, aber charmanten, Recht und Gesetz zuweilen ignorierenden. Aber den wollte der "Welt"-Leitartikler wohl schon immer mal erwähnen, hier jedenfalls passt er ausdrücklich gar nicht, denn siehe, "Uli Hoeneß ist gewiss kein Hundling" (Schmid).

Dass der Leitartikler sich in seiner eigenen, sauber gedruckten Welt (oder "Welt") bewegt, ist ablesbar an der Einschätzung, dass der Prozess vom deutschen Publikum "nüchtern und sachlich" verfolgt worden sei. Nun sind Social Media und Leserforen auch nicht die Welt, aber dass es dort nicht nur nüchtern und sachlich beim Thema Hoeneß zuging, wäre durch einen Blick ins Kommentarfeld der eigenen Publikation umgehend erkennbar gewesen. Man kann diese Meinungssphäre abtun und ignorieren, sollte dann aber keine allgemeingültigen Einschätzungen über "das Publikum" abgeben. Womöglich ist nämlich bei diesem Publikum nachlesbar, was das Publikum der gedruckten Zeitung denkt, aber eben nicht aufschreibt.

Nicht der Hundling, aber doch der Hund kommt bei Franz Josef Wagner in "Bild" zur Geltung oder besser zu Fall: "Als Sie das Urteil hörten, waren Sie nicht mehr Uli Hoeneß", schreibt Wagner an den Bayern-Boss. "All Ihr Leben zersprang. Sie guckten in einen Abgrund, wo alles hinunterfiel. Möbel, Haus, Ihr lieber Hund." Doch dann weitet sich zumindest Wagners Blick wieder. Die Post geht nicht mehr an Hoeneß ab, sondern uns alle: "Wir müssen diesem armen Hoeneß unsere Hand geben", predigt Wagner nunmehr dem Steuervolk. "Wenn wir es nicht machen, sind wir herzlos."

Für den Tagesspiegel haben Lutz Haverkamp und Jost Müller-Neuhof das Hoeneß-Urteil kommentiert. Helmut Schümann hat den Fall und seine Konsequenzen analysiert. Und was meinen Sie, liebe Leserinnen, liebe Leser? Haben die Kommentatoren der Zeitungen in ihren Einschätzungen Recht? Was halten Sie vom Strafmaß? Erwarten Sie einen baldigen Rücktritt des Bayern-Präsidenten? Und wie sehen Sie den Umgang der Öffentlichkeit mit Hoeneß? Wurde er fair behandelt? Gab es aus Ihrer Sicht zu viel Häme? Kommentieren und diskutieren Sie mit! Bitte nutzen Sie dazu die einfach zu bedienende Kommentarfunktion etwas weiter unten auf dieser Seite.

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