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Umfrage: Mit Weihrauch zu „Wetten, dass..?“

Karriere nach dem Kirchgang: Viele prominente Moderatoren sind früher Ministranten gewesen. Ist das Zufall oder Bestimmung?

Frank Elstner, Thomas Gottschalk und Markus Lanz, die beiden früheren „Wetten, dass..?“-Moderatoren und ihr Nachfolger sind als Kinder Ministranten gewesen – so wie viele Moderatoren im deutschen Fernsehen, darunter auch Günther Jauch, Reinhold Beckmann und Alfred Biolek. Ist das alles nur Zufall? Oder ist der Weg vom Altar vor die Fernseh-Kamera doch gar nicht mal so weit? Sieben prominente ehemalige Ministranten antworten.

GÜNTHER JAUCH

Ministrant zu sein, war eine recht reizvolle Aufgabe. Zum einen ist man näher am Geschehen als die Gläubigen in den Bänken. Zum Zweiten lernt man, sich vor Publikum zu bewegen und – bis auf Ausnahmen – halbwegs zu benehmen. Und schließlich lernt man eine gewisse Disziplin: Zuspätkommen, das Gebetbuch vergessen oder mit verdreckten Schuhen unterm Rock antreten waren absolute No-go-Szenarien. Ich habe damals gelernt, vor vielen Menschen aufzutreten, sowie eine gewisse Konzentration und Kontemplation. Allerdings glaube ich, dass es ein Zufall ist, dass so viele ehemalige Ministranten im Fernsehen gelandet sind – obwohl die Häufung doch schon auffällig ist. Anfang der 70er Jahre hat die ARD bundesweit den Weihnachtsgottesdienst aus der Gemeinde Heilige Familie in Berlin-Lichterfelde übertragen – mit mir als Weihrauchschwenker. Der Sender hat keine Aufzeichnung davon. Vielleicht hat das noch jemand auf Video?

MARKUS LANZ

Ich bin in einem streng katholischen Südtiroler Bergdorf aufgewachsen. Jeder, der nicht rechtzeitig auf dem nächsten Baum war, wurde spätestens in der zweiten Klasse als Messdiener rekrutiert – was auch bitter nötig war, denn mein kompletter Jahrgang bestand aus genau fünf Jungs. Ich bin mir aber nicht sicher, ob eine Karriere als Messdiener der direkte Einstieg ins Showgeschäft ist, eher schon ins Actionkino. Denn wir haben früh begriffen, dass sich Kohle und Weihrauch wunderbar für Special Effects nutzen lassen und es auch ausgiebig genutzt. Was tatsächlich prägend war, waren die vielen Priester, denen ich im Laufe meines Lebens begegnet bin. Viele von ihnen waren ungeheuer inspirierend, vor allem unser damaliger Dorfpfarrer Ferdinand Kassiel. Er war ein im ganzen Land bekannter Redner und in der Lage, mit klaren Sätzen und kraftvollen Bildern Menschen zu fesseln. Einmal fragte ich ihn, wie er sich denn vorbereite, und er zeigte mir sein Arbeitszimmer. Dort lagen hunderte Notizen, die er lose in alten Schuhkartons aufbewahrte, alte Bücher standen herum, von Plato bis Cicero und Horaz – er kannte sie alle. Wenn er seine Predigt geschrieben und mit allen dramaturgischen Finessen versehen hatte, setzte er sich hin und lernte sie auswendig.Er stellte sich nie auf die Kanzel oder hinter ein Pult am Altar, sondern direkt vor die Gemeinde, sah jeden an und begann zu reden. Das war so beeindruckend, dass ich es bis heute nicht vergessen habe. Die Kirche hat bis heute – siehe Joachim Gauck – großartige Redner in ihren Reihen. Wir sollten uns dessen besinnen, und es öfter nutzen.

MANNI BREUCKMANN

Einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Ministrantendasein und der Fernsehkarriere muss es nicht geben, aber vielleicht steckt ja in einigen Fällen die Lust am öffentlichen Auftritt dahinter. Ich selbst hatte Spaß daran, Teil einer Inszenierung zu sein: Gebete sprechen, die Choreografie am Altar problemlos zu bewältigen, da hatte ich schon eine Portion Ehrgeiz. Außerdem war ich ja auch noch Lektor, das heißt, ich musste Texte aus der Bibel auf der Kanzel vortragen. In der Öffentlichkeit vor Zuschauern etwas vortragen war schon immer Teil meiner Persönlichkeit, dabei war ich ein extrem schüchterner Junge und versuchte auf diesem Weg vielleicht, die Hemmungen zu besiegen. Mitgenommen aus der Zeit habe ich die Fähigkeit, trotz Unruhe oder Ängstlichkeit einen sauberen, souveränen Auftritt hinzukriegen. Und zu lernen, dass sich das Lampenfieber legt oder zumindest gut verbergen lässt.

ALFRED BIOLEK

Mich hat auf jeden Fall, schon in jungen Jahren, die Zeremonie der Messe in der katholischen Kirche, die von der Orgelmusik, dem Gesang, dem Geruch des Weihrauchs und den prächtigen Gewändern begleitet wurde, sehr beeindruckt. Das gemeinsame Durchführen eines Rituals hat mich gereizt. Als Messdiener habe ich schon vor einem „Publikum“, vor den Augen aller in der Kirche versammelten Menschen, gestanden, wie auf einer Bühne. Das hat mir damals schon gefallen.

MARKUS KAVKA

Gerade in den ländlichen Gegenden Süddeutschlands ist es sehr verbreitet, Messdiener zu sein. Rein statistisch betrachtet ist es also nicht so ungewöhnlich, dass aus einem ehemaligen Messdiener ein TV-Moderator wird. Aber natürlich wird man als Messdiener schon relativ früh damit konfrontiert, vor „Publikum“ aufzutreten. Zudem erlernt man Disziplin in puncto Dramaturgie und Choreografie. Bei so einem Gottesdienst passiert ja nichts Improvisiertes oder Spontanes. Nach einigen Jahren, in denen ich lediglich dem Priester assistierte, durfte ich auch die Lesung halten und die Fürbitten vortragen. Ich habe gelernt, dies langsam, deutlich und pointiert zu tun. So kurios das klingt: Ich hatte nach einer Weile tatsächlich so etwas wie einen kleinen „Fanclub“ in unserer Dorfkirche, weil die älteren Damen in den ersten Reihen der Meinung waren, dass ich mit meiner damals schon relativ dunklen Stimme und meiner klaren Aussprache das von allen Messdienern am besten konnte.

REINHOLD BECKMANN

Das nach Möglichkeit fehlerfreie Aufsagen des Confiteor, also des Schuldbekenntnisses, als Messdiener scheint wohl zumindest kein Nachteil zu sein für die Arbeit beim Fernsehen. Da meine Heimatkirche in Twistringen bei Bremen damals immer voll besetzt war, brauchte es als Vorbeter natürlich schon ein wenig Überwindung. Das ist ähnlich wie heute vor der Kamera. Ich kann mich noch gut an das erste Lampenfieber am Mikro vor dem Altar erinnern – allein schon deshalb, weil es immer noch hier und da wiederkehrt.

JOHANNES B. KERNER

Der Ablauf der Eucharistie-Feier ist vergleichsweise wiedererkennbar, da hätten die Ministranten ja eigentlich eher Nachrichtensprecher werden müssen. Dass dann so viele doch ins Freigehege der Unterhaltungs- und Sportmoderation abgeglitten sind, könnte ein dezenter Hinweis darauf sein, dass Weihrauch doch nicht ganz wirkstofffrei ist.

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