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Umstrittener Preisträger: "Spiegel"-Autor René Pfister.

© dpa

Umstrittener Preis für Reportage über Seehofer: „Ich sehe keinen Grund, den Preis zurückzugeben“

Der "Spiegel"-Autor René Pfister hat den Henri-Nannen-Preis für die beste Reportage gewonnen. Die Diskussion darüber, ob dies zu Recht geschehen ist, wird allerdings mit aller Härte geführt.

Während der Autor und der „Spiegel“-Chefredakteur Mathias Müller von Blumencron das Stück und den Preis dafür verteidigten, bezeichnete Oscar Tiefenthal, Leiter der Evangelischen Journalistenschule in Berlin, die Reportage als „nicht preiswürdig“.

Unter dem Titel „Am Stellpult“ hatte René Pfister die private Seite des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer als Modelleisenbahner dargestellt und die Herrschaft über seine Miniaturwelt mit der über den Freistaat in Beziehung gesetzt. Der Autor hatte bei der Preisverleihung auf Nachfrage von Moderatorin Katrin Bauerfeind allerdings zugestanden, dass er die Modellbahn im Keller von Seehofers Ferienhaus nie selbst gesehen hat.

Dem Tagesspiegel sagte Pfister am Sonntag, die Recherche für den Einstieg mit Seehofers Eisenbahn basiere auf zahlreichen Gesprächen mit Seehofer selbst und engen Mitarbeitern. „Ich beobachte ihn seit 2004 für den ,Spiegel‘, und in all den Jahren hat er immer wieder von der Bahn in seinem Ferienhaus berichtet.“ Der Text erweckt nach Pfisters Meinung nicht den Eindruck, als sei er zu einem konkreten Zeitpunkt selbst mit Seehofer in dem Keller gewesen. „Es ist die Schilderung dessen, was ich in langer Recherche über Seehofer und seine Modelleisenbahn zusammengetragen habe. Ich sehe keinen Grund, den Preis zurückzugeben“, sagte Pfister.

Auch Mathias Müller von Blumencron, Mitglied der „Spiegel“-Chefredaktion, verteidigte im Gespräch mit dem Tagesspiegel den Autor. „Seine Quellen waren eigene Gespräche mit Horst Seehofer, zwei ,Spiegel‘-Kollegen, die in dessen Keller waren, schließlich Archivmaterial, in dem die Modelleisenbahn des Ministerpräsidenten ausführlich beschrieben wird.“ Aus dieser Recherche, aus diesen Quellen ergebe sich, dass Pfisters Reportage authentisch und glaubwürdig sei. Mit einer erzählerischen Wiedergabe gelinge es viel besser, den Leser für ein Thema zu gewinnen, als mit einem reinen Rechercheprotokoll. Insgesamt „gibt es ja keine Zweifel an der Richtigkeit seiner Schilderung – und es gibt keinen hinreichenden Grund, die überzeugende Leistung des Autors zu schmälern“. Blumencron wollte nur den Einwand gelten lassen, der Autor hätte deutlicher machen können, dass er selber nicht in Seehofers Keller gewesen sei.

Oscar Tiefenthal, Leiter der Evangelischen Journalistenschule in Berlin, kritisiert die Camouflage in Pfisters Beitrag. „Eine Reportage lebt vom Selbsterlebten, nicht vom Hörensagen“, sagte Tiefenthal in einem epd-Gespräch. Ein Reporter schildere, was er beobachtet: „Dazu ist es zwingend erforderlich, persönlich vor Ort zu sein.“ Wer die Story von Pfister lese, denke automatisch: „Toll, wie kommt der Kerl in den Keller von Horst Seehofer!“ So sei es aber nicht gewesen, sagte Tiefenthal. „Daher hat Pfister ein schönes und sprachlich überzeugendes Stück geschrieben, nicht aber eine preiswürdige Reportage“. Ob er den Preis zurückgebe, müsse er selbst entscheiden.

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