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Medien: Und sind sie nicht willig …

Ob Kandidat oder Präsident: Nicolas Sarkozy regiert mit den Medien

Jeden Tag ein Medienereignis. Nach diesem Motto hat Nicolas Sarkozy seine Popularität als Kandidat aufgebaut. Nach demselben Motto geht er nun auch seine ersten Tage als Präsident Frankreichs an. Und die Medien sind ihm dankbar. Ob bei der Amtseinführung im Elysée-Palast in Anwesenheit seiner im Kennedy-Look auftretenden Familie, beim Jogging im Bois de Boulogne mit Premierminister Francois Fillon, beim Blitzbesuch bei den Airbus-Beschäftigten in Toulouse oder beim Wochenendaufenthalt mit Frau Cécilia und Sohn Louis auf Fort Brégancon an der Côte d’Azur, der Ferienresidenz französischer Präsidenten – überall gibt es schöne Bilder und mit anekdotischen Details gewürzte Reportagen. Wer mehr erfahren will, greift zu „Paris Match“ oder anderen bunten Blättern, die von Hochglanzfotos aus dem Leben am Hofe des neuen Staatsoberhaupts geradezu überquellen.

Wehe aber den Chronisten, die wie Denis Boulard, ein Reporter der Sonntagszeitung „Le Journal du Dimanche“, die Nase in Dinge stecken, die dem Politiker unangenehm sind. Auf Geheiß des mit Sarkozy eng befreundeten „Dimanche“-Verlegers, Arnaud Lagardère, hatte der Chefredakteur Jacques Epandérieu eine Exklusivstory über die Stimmenthaltung der Präsidentengattin beim zweiten Wahlgang am 6. Mai gekippt. Der Vorfall fand im Rummel um die Amtseinführung Sarkozys nur wenig Beachtung, hatte dann jedoch ein Nachspiel. In einem offenen Brief an Lagardère verwahrten sich Redakteure des „Dimanche“ gegen die Zensur durch ihren Verleger. Chefredakteur Espandérieu hatte das in letzter Minute veranlasste Nichterscheinen des Artikels als seine „Gewissensentscheidung“ begründet. In Wirklichkeit folgte er jedoch einem Uka des von der Umgebung Sarkozys, wenn nicht vom Präsidenten selbst alarmierten Verlegers. „Das ist eine unannehmbare Zensur, das Gegenteil einer freien Presse“, heißt es in dem von einer Vollversammlung der Redakteure beschlossenen offenen Brief.

Schon seit Beginn des Wahlkampfs sah sich die Zeitung in zahlreichen Leserzuschriften dem Vorwurf der Parteinahme für Sarkozy ausgesetzt. Die Zeitung sei mit Reaktionen empörter Leser „überschwemmt“ worden, halten die Redakteure ihrem Verleger entgegen. Immer wieder hätten sie sich bemüht, Unparteilichkeit zu wahren: „Doch mit dieser Intervention haben Sie die Anschuldigungen auf einen Schlag glaubwürdig gemacht.“

Man hätte erwarten können, dass dieser ungewöhnliche Aufstand einer Redaktion gegen ihren Verleger auch in anderen Medien seinen Niederschlag gefunden hätte. Doch wie schon die Zensur fand auch der Protest gegen die Zensur weder in den Nachrichten von Rundfunk- und Fernsehen noch in den Spalten der Printmedien – mit der Ausnahme der linken „Libération“ – seinen Niederschlag. Der Vorfall erscheint symptomatisch für das Klima der Unruhe, das sich aus der Nähe des Präsidenten zu den Hierarchen französischer Medien in manchen Redaktionen eingestellt hat.

Außer zu Lagardère hatte Sarkozy über die Jahre noch zu anderen „Oligarchen“, wie sie Daniel Schneidermann, der Medienkritiker von „Libération“, nennt, enge Beziehungen aufgebaut. Sie tragen nun ihre Früchte. So wechselte jetzt sein stellvertretender Wahlkampfleiter Laurent Solly zur Holding des mit ihm befreundeten Bauunternehmers und Mehrheitsaktionärs des größten französischen Fernsehsenders TF1, Martin Bouygues. Der 36-jährige Absolvent der Elitehochschule ENA und frühere Bürochef Sarkozys im Innenministerium soll nach einem Bericht der Zeitung „Le Parisien“ bei TF1 auf einen Führungsposten rücken.

Besonders groß ist die Unruhe in der Lagardère-Gruppe, zu der neben dem „Dimanche“ über 20 Titel zählen, darunter „Paris Match“ und der Rundfunksender Europe 1. Bei einem Interview mit Sarkozy im Wahlkampf war Lagardère, der auch Aktionär des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS ist, selbst ins Studio gekommen, um mit dem Präsidentschaftskandidaten die Antworten zu Fragen nach der peinlichen Millionenabfindung des gefeuerten EADS-Präsidenten Noel Forgeard abzusprechen. Bei „Paris Match“ protestierten die Redakteure nach der ersten Wahlrunde dagegen, die Titelseite mit einem Foto Sarkozys zu schmücken. Eine solche Parteinahme vor dem zweiten Wahlgang habe sich die Illustrierte noch nie erlaubt. Den Konflikt löste der Tod des Schauspielers Jean-Pierre Cassel, der in der betreffenden Woche starb und ersatzweise aufs Titelblatt kam.

Beim „Journal du Dimanche“ rüsten die Redakteure jetzt zum Widerstand gegen ihren Verleger. „Ihre privilegierten Beziehungen zu Nicolas Sarkozy werden uns nicht ein zweites Mal dazu bringen, den Anforderungen unseres Berufs nicht gerecht zu werden“, warnten sie Lagardère in ihrem offenen Brief.

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