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Heimlich auf Arbeit. Undercover-Reporterin Caro Lubig recherchiert bei Zalando.

© RTL

Unter deutschen Dächern: Hier spioniert das Fernsehen

Recherche mit Kamerabrille und falschen Bärten: RTL will undercover neues Image und neues Publikum erreichen.

Wenn CIA und NSA es machen, ist das Spionage. Wenn das Fernsehen es macht, ist es Recherche. Alles klar? Der Privatsender RTL setzt mit seinen Formaten „Undercover Deutschland“ oder „Team Wallraff“ auf ein Hybrid. Reporter verkleiden sich, schleichen sich ein, dokumentieren mit verdeckter Kamera miese Arbeitsbedingungen bei Online-Händlern, Hygienemängel in der Gastronomie oder fragwürdige Zustände in Pflegeheimen. Was die beiden ARD-Sender NDR und WDR zusammen mit „Süddeutscher Zeitung“ vor allem im politischen Sektor aufdecken, das will RTL im gesellschaftlichen Bereich enthüllen. Der Privatsender steht ja mit seinem zunehmend langweiligen Programm der „Zehn besten Duschköpfe“ (Scherz!) unter Nachfragedruck. Sauber recherchierter Enthüllungsjournalismus soll das Image heben und den Sender für neue Zuschauerschichten öffnen. Deswegen wird am kommenden Montag eine erste Staffel von „Undercover Deutschland“ ausgestrahlt, deshalb soll es laut RTL auch mit dem „Team Wallraff“ weitergehen, wie die dpa berichtet, allerdings sei noch nicht klar, in welcher Form.

Aber mit vergleichbarer Resonanz wie bisher und mit einer Recherchetiefe, die jeder „Gegenspionage“ standhält. RTL weist nicht ohne Stolz darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft Erfurt die Ermittlungen gegen eine RTL-Reporterin wegen verdeckter Recherchen beim Online-Modehändler Zalando eingestellt hat. „Es liegt kein strafbares Verhalten vor“, sagte ein Behördensprecher. Die journalistische Tätigkeit mit einer Kamerabrille sei nicht strafbar. Der Verdacht auf Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen habe sich nicht bestätigt. Die Journalistin Caro Lubig hatte drei Monate lang im Erfurter Zalando-Logistikzentrum gearbeitet und dem Unternehmen in der Sendung „extra“ vom 14. April dieses Jahres vorgeworfen, Angestellte massiv unter Druck gesetzt zu haben.

In diesen Spuren will sich „Undercover Deutschland“ bewegen. Die Themen der vier Folgen sind von boulevardeskem Zuschnitt: Bizarrer Sex, Kinderkauf, Abzocke in Partneragenturen, Pädophilenszene, Wunderheiler. Das Reporterduo Miriam Werning und Wolfram Kuhnigk ist dafür im Stil von Günter Wallraff ein Jahr lang in andere Identitäten geschlüpft, sie „tauchten in Parallelwelten ein und erlebten Dinge, die man in Deutschland weder erwartet noch gesehen hat“, weiß RTL. Unbestritten, Werning und Kuhnigk riskieren persönlich was. Die Reporterin wird von ihren Erfahrungen bei der Offerte ihres noch nicht geborenes Kindes berichten, der Reporter schleust sich ins Pädophilenmilieu ein. Vielleicht ist das der Unterschied zu „Team Wallraff“: Dort ist es die Arbeitswelt, hier ist es das gesellschaftliche Dunkel. Spionagefernsehen über ein Deutschland, das die Deutschen vielleicht nicht wahrhaben wollen.

„Undercover Deutschland“, RTL, Montag, 21 Uhr 15

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