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Auskünfte ja, aber nicht, wenn sie erst recherchiert werden müssen.

© picture-alliance/ dpa

Urteil zum Presse-Auskunftsrecht: Mehr gibt’s nicht

Verfassungsrichter stärken Presse-Auskunftsrecht – aber Informationen beschaffen muss der Staat nicht. Er hat es sich im „Minimalstandard“ bequem gemacht.

Bundesregierung und Bundesbehörden sind nicht verpflichtet, auf Anfragen von Journalisten Informationen zu beschaffen. Der presserechtliche Auskunftsanspruch beziehe sich nur auf Informationen, die bei öffentlichen Stellen bereits vorhanden sind, hat das Bundesverfassungsgericht am Dienstag entschieden. Mit dem Beschluss wies es die Verfassungsbeschwerde eines „Bild“-Reporters ab, der vom Bundesnachrichtendienst (BND) Angaben zu früheren Mitarbeitern des Geheimdienstes mit NS-Vergangenheit verlangt hatte. Diese Informationen lägen der Behörde jedoch noch nicht vor, sondern müssten von einer eigens eingesetzten Historikerkommission erst noch recherchiert und zusammengestellt werden, argumentierten die Richter.

Der Fall des „Bild“-Reporters hatte Unsicherheit darüber hervorgerufen, wie weit der Informationsanspruch von Journalisten gegenüber Bundesbehörden reicht. Denn auf seine Klage hin entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig vor rund zwei Jahren, dass die Länder-Pressegesetze, die den Anspruch enthalten, nicht für Stellen des Bundes gelten könnten. Stattdessen bestehe diesen gegenüber ein unmittelbar aus dem Grundrecht der Pressefreiheit abgeleiteter Anspruch, der jedoch auf einen „Minimalstandard“ begrenzt sei. Allein der Gesetzgeber sei befugt festzustellen, wie weit der Anspruch künftig reichen soll. Unter Hinweis auf diesen „Minimalstandard“ verweigern seitdem zahlreiche Bundesbehörden, darunter auch die Bundestagsverwaltung, das Kanzleramt und der Verfassungsschutz, von der Presse angefragte Informationen.

Missstände, Meinungen und Gefahren

Trotz der Abweisung hat das Verfassungsgericht klargestellt, dass die Reichweite der Landes-Pressegesetze von Bundesbehörden nicht ohne Weiteres unterschritten werden darf. „Erst der prinzipiell ungehinderte Zugang zu Informationen versetzt die Presse in den Stand, die ihr in der freiheitlichen Demokratie zukommende Funktion wirksam wahrzunehmen“, betonten die Richter. Über die Presse könnten die Bürger Informationen über tatsächliche Vorgänge und Verhältnisse, Missstände, Meinungen und Gefahren erhalten, die ihnen sonst verborgen bleiben würden. Dafür genüge es, dass Bundesbehörden in dem Rahmen Auskünfte erteilten, den das Landes-Presserecht vorschreibe. „Für eine Verletzung der Pressefreiheit ist jedenfalls dann nichts ersichtlich“, urteilten die Richter. Auskünfte unter Hinweis auf einen „Minimalstandard“ zurückzuhalten, dürfte damit gleichwohl hinfällig werden.

Ein Grundproblem bleibt ungelöst. Die Verfassungsrichter ließen offen, woraus die Presse Informationsansprüche gegen Bundesbehörden ableiten darf. Dies wollte die „Bild“ eigentlich geklärt wissen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte die Politik 2013 aufgefordert, Gesetze zu erlassen, mit denen die Ansprüche festgeschrieben werden sollten. Ein Vorschlag der SPD im Bundestag scheiterte. Die Regierung sieht keine Veranlassung, ihre Transparenz für die Presse neu zu regeln. Sie hat es sich im „Minimalstandard“ bequem gemacht. Jost Müller-Neuhof

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