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Jack Bauer

© dpa

US-Serie "24": Heiliger Zweck

Jack Bauer (Kiefer Sutherland) in der Post-Bush-Welt: Die neue Staffel der US-Serie „24“ zeigt den Helden als heikles Vorbild.

Am Vormittag beharrte Dick Cheney darauf, dass es sich beim Waterboarding nicht um Folter handle und er alles wieder genauso machen würde, am Abend versicherte Jack Bauer, dass er nichts von dem bereue, was er getan hat. Scheinbar agierten diese beiden Protagonisten am Sonntag in Washington in zwei verschiedenen Welten. Cheney, der scheidende amerikanische Vizepräsident, äußerte sich in Interviews zu den Niederungen seiner achtjährigen Amtsperiode, im richtigen Leben. Jack Bauer, gespielt von Kiefer Sutherland, musste sich zum Start der siebten Staffel der US-Serie „24“ für seine Taten als fiktiver Agent in einer Anti-Terror-Einheit vor dem Senat verantworten. Ihm droht Gefängnis. Laut „New York Times“ ist Bauer „ein Stellvertreter im Krieg gegen Folter, ein fiktionaler Sprecher für diejenigen, die wie Mr. Cheney unter Beschuss sind, weil sie darauf bestehen, dass Folter ein notwendiges Instrument ist, um den Terrorismus zu bekämpfen“.

Jack Bauer in der Post-Bush-Welt – das war für Drehbuchschreiber eine echte Herausforderung. 20 Monate sind seit dem Ende der sechsten Staffel von „24“ vergangen. Diese wurde von der Kritik zerrissen und litt unter Zuschauerschwund. Der Autorenstreik in Hollywood verlängerte die Pause, aber auch so wurden die Bücher der siebten Staffel zweimal grundlegend überarbeitet. Herausgekommen ist ein Protagonist, der sich nur an der Oberfläche von früheren Zeiten unterscheidet. Für ihn gilt immer noch die Maxime, dass der Zweck die Mittel heiligt, wenn es nur darum geht, Menschenleben zu retten.

Es sind keine 40 Minuten in der zweistündigen Auftaktfolge vergangen, da ist Bauer bereit, einem Bösewicht mit einem Kugelschreiber ein Auge auszustechen, um ihn zum Sprechen zu bringen. 198 Menschen hat Bauer in den vergangenen Folgen getötet, der Parents Television Council hat in den ersten fünf Staffeln 67 Folterszenen gezählt. Das schüttelt man nicht so einfach ab.

Sich selbst in einem neuen Licht zu sehen, das mag für jemanden wie Jack Bauer eine intellektuelle Herausforderung sein. An seinem Selbstbewusstsein nagt es nicht, jedenfalls nicht auf dem Schirm. Er weiß immer noch am besten, was zu tun ist. Und er hat recht in allem, was er sagt und tut. Immer.

2006 stattete der Leiter der West-Point-Militärakademie den Produzenten von „24“ einen Besuch ab, um ihnen klarzumachen, dass ihre Kunstgestalt aus dem Fernsehen seine Schüler und die Soldaten im Irak beeinflusst. Offensichtlich zogen diese den Schluss, dass es okay ist, Gefangene härter ranzunehmen, schließlich macht das dieser Jack Bauer auch so – und der ist in der Heimat ein TV-Hit. Das zeugt zwar nicht gerade von einer soliden Ausbildung des Militärpersonals oder seiner moralischen Reife, aber Berichte über die Wechselwirkung lösten einen politischen Feuersturm aus, dem sich Produzent Howard Gordon nicht entziehen konnte.

In einem Interview sagte er kürzlich zu dem vermeintlichen Wandel, den sein Protagonist durchgemacht hat: „Das ist der Tatsache geschuldet, dass sich die Welt verändert hat. Dass die Dinge viel komplexer sind, als wir vielleicht gedacht haben, und dass einige unserer Taten Konsequenzen in der Welt haben.“ Immerhin versucht Jack Bauer es nicht auf die Tour, mit der sich nun viele Neokonservative in Washington aus dem Schlamassel herausreden wollen, den sie angerichtet haben.

Den Irak-Krieg hätten sie nie gewollt, behaupten diese Politiker etwa, er sei ihnen aufgezwungen worden. Aber so ein Märchen wäre für das Fernsehen eh zu unglaubwürdig gewesen. Zuschauer in Deutschland können sich nun vorerst auf Premiere 4 und HD jeden Montagabend vom neuen, alten Jack Bauer überzeugen. Matthias B. Krause, New York

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