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© dpa

US-Vorwahlen: Macht, Sex, Klingeltöne

Der Polithype in den USA hat alle Medien erfasst. Zu den US-Vorwahlen, bei denen mit Spannung besonders auf die Kandidaten der Demokraten geschaut wird, fahren die Medien ein Großangebot auf.

Wahltage sind Großkampftage für die Medien. Amerikas nationale Zeitungen hatten die Bürger und Wähler seit Tagen mit Sonderseiten auf den Super Tuesday eingestimmt. Die „Washington Post“ präsentierte am Dienstag ein doppelseitiges Panorama der „politischen Geografie“: die Karte aller 22 Bundesstaaten, in denen die Demokraten, und der 21, in denen die Republikaner gestern Vorwahlen abhielten, samt den Delegiertenzahlen für die Nominierungsparteitage im Spätsommer, den persönlichen Affinitäten der Bewerber zu einzelnen Staaten und vereinzelten regionalen Prognosen.

Die „New York Times“ zeichnete die Wahlkampfreiserouten der Kandidaten in den letzten Tagen nach und gab begleitend Aufschluss über die damit verbundenen Strategien der Lager. Dazu gehört auch eine Statistik der regionalen Verteilung von Minderheiten, die hier und da wahlentscheidend sein können. In Kalifornien stellen die Latinos 23 Prozent der Wähler, in New Mexiko 37,5 Prozent, in Georgia die Schwarzen 30 Prozent.

Für die großen TV-Networks ist der Wahltag ein einträgliches Geschäft und eine logistische Herausforderung. Die beiden finanzkräftigsten Kandidaten, Hillary Clinton und Barack Obama, schalten seit Tagen nationale Werbespots, wie es sonst nur große Auto- und Pharmafirmen tun. Das kostet Millionen, beide haben eine Kriegskasse von mehr als hundert Millionen Dollar allein für die Vorwahlen – weit mehr als der gesamte Wahlkampfetat einer deutschen Volkspartei für eine komplette Bundestagswahl.

Dieses Geld verdanken sie zu einem Gutteil der Medienarbeit, vor allem über das Internet. Barack Obama, zum Beispiel, hat dank seines Auftaktsiegs in Iowa allein in den ersten zehn Januartagen mehr als 100 000 neue Spender im Web gewonnen. Das ist neuer Rekord, die Clintons liegen da leicht zurück.

22 Vorwahlen der Demokraten und 21 der Republikaner in insgesamt 24 Staaten, die sich über drei Zeitzonen erstrecken – und über 5000 Kilometer in Ost- West und 3000 Kilometer in Nord-Süd- Richtung: Das bringt selbst große und reiche Fernsehanstalten in den USA an die Grenze ihrer Organisationskraft. Sie müssen Kamerateams und Starreporter aufteilen und den Programmrhythmus umstellen. Für „Couchpotatoes“ liefern die Printmedien TV-Tips: 19 Uhr Ostküstenzeit nach Georgia schauen; 20 Uhr nach Massachusetts, gefolgt von Illinois, New Jersey und Kansas; ab 21 Uhr New York und Arizona; mit Ergebnissen aus Kalifornien, das mit drei Stunden Zeitdifferenz folgt, wird erst zwischen 23 Uhr und Mitternacht Ostküstenzeit gerechnet; in Deutschland ist es dann zwischen 5 und 6 Uhr am Mittwochmorgen.

Neue und alte Medien, Videobörse, Internet und Hollywoods Glamourwelt: Kein Bereich bleibt ausgespart vom Polithype dieser Tage. Man kann sich sogar den Kandidatennamen Obama als Klingelton fürs Handy herunterladen. Auf Youtube promotet ein Video Hillary Clinton an der Gitarre im Stil eines MTV-Clips für eine Band. Ein größerer Hit ist die Rap-Version eines Wahlkampfauftritts von Barack Obama auf dipdive.com. Bereits im Sommer 2007 hatten sie sich ein Youtube-Duell geliefert. Schon damals konnte Clintons durchaus witziges Video im Stil der New Yorker Mafia-Kultserie „Sopranos“ nicht mithalten mit dem anzüglichen Lied „Crush on Obama“ des kurvigen, knapp bekleideten Models Lee Ettinger, das in der Zeile gipfelt: „You can barack me tonight“.

Auch in der Traumfabrik Hollywood hat Obama leichte Vorteile. Die bekanntesten Filmstars und Regisseure verteilen ihre Unterstützung zwar relativ ausgewogen oder haben sogar für beide gespendet wie Steven Spielberg. Aber Robert de Niro führt Wahlkampf für Obama, Jack Nicholson fordert zur Wahl des schwarzen Senators auf. Oprah Winfrey, die schwarze Talkshow-Queen zieht für Obama durch die Lande. Manche US-Zeitungen geben Empfehlungen ab, die „New York Times“ für die Demokratin Clinton und den Republikaner John McCain. Diese „Endorsements“ haben aber nur symbolische Bedeutung.

Christoph v. Marschall, Washington

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