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Medien: Verbrechen ist Frauensache

Im Fernsehen ermitteln immer mehr Kommissarinnen. Jüngstes Beispiel: Senta Berger

Von Thilo Wydra

Zählen wir einmal ein paar von ihnen auf. Nicht alle, das würde zu lange dauern. Zunächst die „Klassiker“: Da wären Hannelore Hoger als „Bella Block“ (ZDF), Iris Berben als „Rosa Roth“ (ZDF) und Hannelore Elsner als „Die Kommissarin“ (ARD). Jüngst konkurrierten mit ihnen gleich drei neue „Tatort“-Ermittlerinnen (ARD): Maria Furtwängler in Hannover, Andrea Sawatzki in Frankfurt am Main und Eva Mattes am beschaulichen Bodensee. Und derzeit dreht Thomas Berger („Operation Rubikon“) in München und Regensburg gerade den Pilotfilm zu „Kommissarin Lucas“, gespielt von Ulrike Kriener, geplant für den ZDF-Samstagabend.

Auch Senta Berger tritt jetzt an, als Eva Prohacek in „Unter Verdacht“, einem Krimi, dessen ersten Folge am heutigen Freitag auf Arte läuft („Verdecktes Spiel“, 20 Uhr 40). Doch fortan wird sein Sendeplatz der Samstagabend im ZDF sein. Er ist ebenfalls in München angesiedelt, in dieser Stadt, die in Wirklichkeit so wenig kriminell ist.

Neue Frauenkrimis braucht das Fernsehland – der Satz scheint ein Leitmotiv in den Sendern zu sein, zumal in den öffentlich-rechtlichen. Frauen sind offenbar neuerdings nicht nur für Politik, man erinnere sich an Maischberger, Christiansen, Illner, sondern auch fürs Verbrechen zuständig. Woran aber nun liegt es, das nachgerade ein neuer, senderübergreifender Trend ausgerufen werden kann?

Elke Müller, verantwortliche Redakteurin von „Unter Verdacht“, sieht die Gründe dafür sowohl im neuen Bewusstsein der Redaktionen, offener, aufgeschlossener Programme zu gestalten beziehungsweise Filme zu produzieren, als auch in den jeweiligen Darstellerinnen selbst: „Das hat mit diesen Frauen unmittelbar zu tun, von denen in dieser Generation eine starke Wirkung ausgeht.“ Es habe zudem angespornt, eine neue Reihe auf demselben Sendeplatz von „Bella Block“ und „Rosa Roth“ zu etablieren: „Das ist eine Adelung, auf dem Samstag so ein neues Programm zu haben, eine Herausforderung“, sagt sie. Zudem habe man mit Senta Berger zusammen immer wieder über das ihr auf den Leib geschriebene Buch gesprochen, sie habe Ideen eingebracht. So habe erst jenes organische Ganze entstehen können, das „Unter Verdacht“ nun durchaus auch ist. Und, angesprochen auf gleich drei neue „Tatort“-Ermittlerinnen der ARD, konzediert Elke Müller zwar die „Parallelität der Ereignisse“, doch „es ist nicht so, dass das ZDF jetzt einfach nur nachzieht“.

Kommissarinnen also, wohin man auch zappt, zumeist reiferen Alters, und alle lösen sie auf ihre Weise ihre Kriminalfälle. Doch Senta Berger, die im vergangenen Jahr ihren 60. feierte, will das differenzierter sehen. Genau genommen sieht sie es ganz anders. „Ich sehe mich also gar nicht in der Nachfolge meiner Schauspielkolleginnen, denn den Film verstehe ich eher als Politthriller, weniger als Krimi. Wir wollen politische Verflechtungen zeigen und nicht bloß Kriminalfälle“, sagt sie.

Sie spielt auch keine Kommissarin, sondern eine Kriminalrätin, so heißt das im Behördendeutsch. So heißen die Beamten, die gegen Polizisten ermitteln. „Ein Job übrigens, der in der Realität wirklich vorwiegend von Frauen gemacht wird, weil sie offensichtlich über eine größere Sensibilität verfügen“, erklärt Senta Berger.

Die Reihe beginnt damit, dass Kriminalrätin Dr. Eva Maria Prohacek in München eine neue Stelle antritt: Im soeben erst eingerichteten Dezernat 411 wird sie zukünftig in internen Angelegenheiten ermitteln, zu gut deutsch, Beamtenkriminalität bekämpfen. Kein leichter Job. Und ihr eigenbrötlerischer Kollege Herr Langer (Rudolf Krause) erweist sich als nicht sonderlich kooperativ. Als Frau Sempf, Ehefrau eines spurlos verschwundenen Ex-Polizisten, mit der Geschichte ankommt, ihr Mann habe einen Auftragsmord begangen, zudem habe man gemeinsam Vergünstigungen erpresst, wird Eva Prohacek hellhörig. Zumal: Wenige Tage später widerruft Frau Sempf ihre Aussage und wird später tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Evas Vorgesetzter, der ihr auch diesen Job vermittelte, Claus Reiter (Gerd Anthoff), weist Eva in ihre Grenzen, meint gar, sie habe die Frau durch ihre Ermittlungen in den Tod getrieben. Reiter beginnt, Eva das Leben und das Ermitteln schwer zu machen. Und Eva beginnt zu verstehen, dass hier doch einiges im Argen liegt.

„Unter Verdacht – Verdecktes Spiel“ zeigt in der Tat eine neue Farbe der Senta Berger. Selten wohl hat man die Münchner Schauspielerin mit solcher Härte gesehen, einer Härte, hinter der ein hohes Maß an Zerbrechlichkeit steht. Das ist genau das, was ihre facettenreich angelegte Figur der Eva Prohacek auch ausmacht – sie hat die Strärke, Schwächen zeigen zu können. Hart geht es manchmal zu – wenn die Kriminalrätin in ihrer Wohnung brutal überfallen wird und es zu einem handfesten Kampf kommt. Wie gesagt: So hat man die Berger wohl noch nicht gesehen. Das ist alles intelligent geschrieben, unaufdringlich inszeniert und von einer authentischen Glaubwürdigkeit.

Gerade hat Regisseur Friedemann Fromm übrigens den zweiten, in sich abgeschlossenen „Unter Verdacht“-Film in München abgedreht. Und eins dürfte beinahe schon abgemacht sein, angesichts dieser Qualität: Es wird nicht der Letzte gewesen sein. Das ZDF hat ein neues niveauvolles Format kreiert.

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