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Foto: Mauritius; Montage: Thomas Mika

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Medien: Viel Freund, viel Ehr’

Krake umarmt Kritiker: Zur Imagepflege von Google gehört jetzt auch subtiles Lobbying.

Knapp zwei Jahre ist es her, da regte sich Deutschland über Google auf. Im Auftrag des Internetriesen fuhren Autos durch die Straßen, um Fotos für das virtuelle Abbild deutscher Städte, für „Google Street View“, zu schießen. Am Ende räumte Google Bewohnern die Möglichkeit ein, ihr Haus unkenntlich zu machen: Der Imageeinbruch für das Unternehmen war dennoch enorm. Der Konzern hat daraus seine Schlüsse gezogen und befindet sich seitdem auf Schmusekurs: 2010 gab es sentimentale Kinospots („Das Leben ist eine Suche“), 2011 folgte die Kampagne „Das Web ist, was du daraus machst“. Neben klassischen Kampagnen wirbt Google auch um Menschen, vor allem in der Szene der Berliner Netzaktivisten, unter Bloggern und Nerds, bei Initiativen und Wissenschaftlern.

So ergeht es einem dieser Tage wie dem Hasen: Egal wo man hinkommt, der Igel Google ist schon da. Raul Krauthausen, der Gründer einer Seite, auf der Rollstuhlfahrer nach barrierefreien Einrichtungen suchen können, hat sich als Google-Testimonial anwerben lassen. Den Verein Liquid Democracy, der sich für mehr digitale Bürgerbeteiligung einsetzt, unterstützt Google mit einer Spende. Eine Tagung der Deutschen Kinemathek ist von Google kofinanziert, die Speakers’ Corner am Brandenburger Tor wurde ermöglicht durch Google. Google finanziert ein Forschungsinstitut, das Institut für Internet und Gesellschaft, mit 4,5 Millionen Euro. Und in der vergangenen Woche präsentierte die Denkfabrik „Co:llaboratory“ ihren aktuellen Bericht, Thema diesmal: Privatsphäre und Öffentlichkeit. Zwei Tage später fand der erste deutsche „DatenDialog“ statt. In der Kalkscheune trafen Netzprominente auf Datenschützer, Mitarbeiter von Ministerien auf IT-Entwickler und Berater. Die Deko war dezent, das Servicepersonal eifrig – willkommen beim sympathischen Marktführer Google.

Seit einigen Wochen tastet man sich an das Thema Datenschutz heran. In Kooperation mit dem Verein „Deutschland sicher im Netz“ (DisN) schaltet Google Anzeigen, die unter anderem über Passwörter und Cookies informieren. „Wir begrüßen natürlich, dass Firmen über Sicherheit im Netz aufklären“, sagt Cornelia Tausch vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Eine Kooperation mit dem DsiN gibt es trotzdem nicht. „Wir stellen eigene Informationen bereit, auch zu Google-Produkten“, sagt Tausch diplomatisch.

Es ist eine der wenigen Abgrenzungslinien, die man überhaupt noch findet. Ansonsten scheint Google in Deutschland mit zahlreichen Netzakteuren einträchtig zusammenzuarbeiten. Die Schnittstelle dafür ist vor allem das 2010 initiierte Co:llabotory. Über hundert Wissenschaftler, Juristen, Politologen, Aktivisten und Blogger haben sich die Klinke in die Hand gegeben. Wikimedia, der Förderverein der Wikipedia, ist regelmäßig dabei, die Wissenschaftler Thomas Schildhauer und Jeanette Hofmann, Direktoren am Institut für Internet und Gesellschaft, waren unter den Mitwirkenden, die Mitarbeiter des Urheberrechtsportals iRights.info und die Non-Profit-Organisation Creative Commons, die für freie Lizenzen wirbt.

Man muss hinter dem Co:llaboratory, dessen Ergebnisse in Broschüren, Tagungen und Pressekonferenzen münden, keine Verschwörung vermuten. Die Mitarbeit ist ehrenamtlich, inhaltliche Vorgaben gibt es nicht. Nicht mal das Catering bei den langen Sitzungen sei aufregend, berichten die Beteiligten übereinstimmend. „Gepampert wird man nicht“, sagt Jan Engelmann von Wikimedia. „Trotzdem ist das natürlich eine sehr smarte Form der Einbindung zivilgesellschaftlicher Gruppen, das ist uns absolut bewusst.“ Felix Kamella von LobbyControl e.V. wird deutlicher: „Solche strategischen Vernetzungsbemühungen fallen eindeutig unter Lobbyismus.“

Google erfindet das sanfte Anschmiegen an die engagierte Fachöffentlichkeit nicht neu. Mit ähnlichen Praktiken arbeiten andere Branchen seit Jahrzehnten. Nur macht es der Suchmaschinenriese besonders geschickt: Im Co:llab kriegt niemand einen Maulkorb verpasst, im Gegenteil. Die Arbeitsgruppen diskutieren kontroverse Themen der digitalen Gesellschaft – das Urheberrecht, die Privatsphäre, die Digitalisierung von Kulturgütern – und finden dabei oft keinen Konsens. Darum geht auch gar nicht. Wichtiger ist die soziale Nähe, die halb vertrauliche Atmosphäre, in der Google-Mitarbeiter Max Senges den Blogger Michael Seemann dann auch mal „Michi“ nennen darf. Die Hand, die Google den deutschen Netz-Experten reicht, wirft dabei eher mit Kleingeld: Über 60 000 Euro konnte das Co:llaboratory 2010 verfügen, 2011 waren es 200 000 Euro. Für das Unternehmen sind das Peanuts. Doch zu viel Großzügigkeit könnte schnell kontraproduktiv wirken. Interessengeleitete Spenden bergen ein immenses Image-Risiko.

Google setzt daher in Deutschland, anders als in den USA, auf wohldosierte Aufmerksamkeiten. Aus den bisherigen vier Co:llabs sind weiterführende Arbeitsgruppen hervorgegangen, deren Projektleiter 500 Euro monatliche Aufwandsentschädigung erhalten. Außerdem hat jede Gruppe ein fünfstelliges Budget zur Verfügung, um Veranstaltungen zu organisieren oder Studien zu beauftragen. Das Geld dafür kommt auf dem kurzen Dienstweg, ein informeller Antrag reicht. „Und schreiben Sie ruhig, dass die Arbeitsgruppen grundsätzlich offen sind, jeder kann sich bewerben“, sagt Max Senges bei der Co:llaboratory Pressekonferenz.

Mit politischen Forderungen hält sich der Konzern selbst vornehm zurück. Lieber lässt man andere die Schaukämpfe führen: So prallten bei einer Podiumsdiskussion, organisiert von Google, jüngst die Positionen des Datenschutzbeauftragten Peter Schaar frontal auf die von Autor und Blogger Jeff Jarvis. Wieland Holfelder, Leiter des Google Entwicklungszentrums in München, gab dagegen den passiven Beobachter: „Wir sind ein Unternehmen, das für Feedback immer offen ist.“

Jens Best, Politikwissenschaftler, Netzaktivist und selbst in einer der Co:llab-Arbeitsgruppen aktiv, sieht in dieser Strategie eine Analogie zu Googles Geschäftsmodell: „Google gibt keine Ergebnisse vor, sondern stellt die lernende und lauschende Eingabemaske bereit. Es geht nur darum, dass wir bei ihnen suchen sollen. Und nicht irgendwo anders.“ Man könnte die Metapher noch ein wenig weiter strapazieren: Google versucht nicht, die Inhalte der deutschen Datenschutz- oder Urheberrechtsdebatte zu kontrollieren, will aber über seine Algorithmen trotzdem Einfluss auf die öffentliche Meinungsfindung nehmen. Was wird wie gewichtet, welche Aspekte des Themas werden wann hervorgehoben? Google arbeitet mit der Agentur dimap communications zusammen, nach eigenen Aussagen eine „Beratungsgesellschaft für Government Relations, Corporate Communications, Public Diplomacy und Meinungsforschung“. Die Anliegen der Mandanten kommuniziere man „zielsicher in der politischen Arena und im öffentlichen Diskurs“.

Personelle Querverbindungen innerhalb des Google-Zirkels bleiben nebulös: Über Ahmet Emre Açar, einen der Teilnehmer des aktuellen Co:llabs, heißt es in einer Kurzbiografie, er helfe Unternehmen bei der Entwicklung neuer Dienstleistungen. Doch Açar ist auch eines der sechs Gründungsmitglieder des Instituts für Internet und Gesellschaft. Er ist dort für Kooperationen zuständig.

Während das Logo der Google-Uni ausgespart wird, schmückt das Co:llaboratory sich mit anderen Partnern. Google-Mitarbeiter Senges berichtet, dass auch Mozilla den Think Tank unterstützt. Im Kreuzberger Mozilla-Büro wusste man davon nichts. Man stehe lediglich lose in Kontakt, von einer Kooperation könne keine Rede sein. Vielleicht nur ein Missverständnis? Googles warmer Umarmung entkommt zurzeit kaum noch jemand.

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