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Volks-TV. Der langjährige RTL-Chef Helmut Thoma (hier mit Frau Daniele) will private Regionalsender wie TV Berlin mit einem interaktiven Mantelprogramm bündeln.Foto:Reuters

© REUTERS

Volks-TV: Inter-Regio

Der einstige RTL-Chef Helmut Thoma plant eine Art "Dialog-Fernsehen" für die Generation Facebook und will damit auch private Regionalsender wie TV Berlin bündeln.

ARD und ZDF mit einem Programm für die Zuschauer ab 50, die RTL-Gruppe und ProSiebenSat1 mit Banalst-Formaten wie Scripted-Reality-Dokus, orientiert an reiner Gewinnmaximierung – aus der Sicht von Helmut Thoma ist es nachvollziehbar, dass es das allein in Fernseh-Deutschland nicht gewesen sein kann. Auf den Zustand der Branche angesprochen, ist dem langjährigen RTL-Chef in den vergangenen zehn, 15 Jahren schon mache Medienweisheit entlockt worden. Gelegenheit zu zeigen, wie man’s besser macht, hatte Thoma seit seiner Zeit bei RTL im großen Stile nicht mehr. Nun will der gebürtige Österreicher dem deutschen Privatfernsehmarkt eine dritte Kraft hinzufügen. Arbeitsname: Volks-TV. Das Projekt mit Sitz in Düsseldorf soll mehrere private Regionalsender wie TV Berlin, NRW.TV oder Hamburg 1 bündeln.

Schon Anfang 2012 soll das werbe- und sponsorenfinanzierte Projekt an den Start gehen, sagt Thoma dem Tagesspiegel, zu empfangen über analoges Kabel und digitalen Satelliten. Das macht zunächst eine Reichweite von etwa elf Millionen Haushalten bundesweit. Über die Inhalte des Mantelprogramms äußert sich Thoma, der in den 80ern mit Sendungen wie „Tutti Frutti“ erfolgreich war, noch wenig konkret: „Zunächst werden das nur ein paar Stunden relativ einfaches Programm am Tag sein.“ Branchenintern spricht man von einem Fernsehen, das neues und altes Medium verschmelzen soll, wie das schon einmal bei NBC Giga versucht wurde. Es soll ein „Dialog-Fernsehen“ angeboten und die Zuschauer zur Mitgestaltung des Programms eingeladen werden. So sind in Verbindung mit einem Internetportal von Volks TV verschiedene interaktive Elemente vorgesehen, zum Beispiel Audio- und Video-Chats, Votings und Online-Foren.

Fernsehen für die Generation Facebook also, the next big thing möglicherweise, als Mantelprogramm für diverse Regionalsender. Die Zulassungskommission der Landesmedienanstalten (ZAK) hat Volks-TV diese Woche die Lizenz erteilt, für ein „24-stündiges Spartenprogramm mit Schwerpunkt ,Entertainment und Education’“, was immer das heißen mag. Als formales Vorbild nennt Thoma den US-amerikanischen Fernsehmarkt mit seinem Network System à la CBS, ABC oder NBC – bundesweites Fernsehen mit regionalen Aspekten. Die regionalen Veranstalter alleine seien hierzulande laut Thoma nicht auf Dauer überlebensfähig.

Wenn man sich die Geschichte von TV Berlin ansieht, kommt Helmut Thoma mit seinem Projekt vielleicht nicht ungelegen. „Ich bin begeistert davon“, sagt Mathias Adler, Geschäftsführer von TV Berlin. „Wenn Volks-TV ein attraktives Rahmenprogramm hinbekommt, das es uns erlaubt, an bundesweiten Werbeerlösen zu partizipieren, kann uns das als Regionalsender nur guttun.“ TV Berlin hat eine bewegte Historie – 2005 musste schon mal Insolvenz angemeldet werden–, aber seit vier Jahren immerhin Kontinuität im Management. Werbeerlöse seien gestiegen, die Reichweite läge – mit Sendungen wie „Ars Vivendi“ oder einem Hertha-BSC-Fanmagazin namens „Spielzug“ – täglich bei etwa 230 000 Zuschauern. „Der Weg stimmt“, sagt Adler, „verbessern kann und muss man sich immer.“ Ähnlich sieht das Ralf Neumann, Geschäftsführer von NRW.TV, mit einer Reichweite von vier Millionen Haushalten in einer etwas privilegierteren Lage als TV Berlin: „Das ist eines der spannendsten Projekte der letzten zehn Jahre.“

Einwände, die Zukunft des Fernsehens liege im digitalen und nicht im analogen Bereich, gerade auch für die Generation Facebook, weist Thoma zurück. Es gebe alleine schon von den Wohnungsbaugesellschaften so etwas wie eine Bestandsgarantie für analoge Kanäle, mindestens für die nächsten sechs Jahre.

Noch hängt bei Volks-TV einiges an der Finanzierung. Notwendig sind 30 Millionen Euro in den ersten beiden Jahren, Thoma ist auf der Suche nach weiteren Geldgebern, auch Privat-Equity-Firmen. Dass die Sache noch am Geld oder an nachlassender Energie scheitern könnte, glaubt der 72-Jährige nicht. „Wenn Sie ein Programm gründen, wird das immer ein langer, beschwerlicher Weg. Aber ich bin in guter Verfassung, habe 27 Kilo abgenommen, bestes Kampfgewicht.“

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