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Treffpunkt Bellevue. Polens Präsident Andrzej Duda (links) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Berlin.

© dpa

Vorwürfe aus Polen: Attacke auf Tagesspiegel

Polens staatliches Radio wehrt sich gegen den Eindruck der News-Unterdrückung – und gibt sie dann zu.

Der Besuch des polnischen Staatspräsidenten Andrzej Duda am Dienstag in Berlin hat ein mediales Nachspiel. Das populäre polnische dritte Radioprogramm, „Trojka“, das nach Liberalen unter der Vorgängerregierung inzwischen von Parteigängern der nationalpopulistischen Regierungspartei PiS beherrscht wird, wirft dem Tagesspiegel vor, bei der Begegnung der Präsidenten Duda und Frank-Walter Steinmeier mit Bürgern und Medienvertretern beim Deutsch-Polnischen Forum „Fake News“ verbreitet zu haben.

Christoph von Marschall, der Diplomatische Korrespondent dieser Zeitung, hatte Duda eine Frage zur umstrittenen Justizrefom in Polen gestellt und zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom vergangenen Freitag, wonach Polen die Zwangspensionierung von Richtern stoppen müsse. In dem Zusammenhang hatte von Marschall darauf hingewiesen, dass er am Samstagvormittag den Sender Trojka gehört habe und dort in den Nachrichten zu seiner Verwunderung nicht über das für Polen ungünstige Urteil berichtet wurde.

Slawomir Sieradzki, Vizechef der Auslandsabteilung des polnischen Radios, kritisierte diesen Hinweis am Donnerstag in einer Trojka-Sendung als „Versuch, ,Fake News‘ in Umlauf zu bringen“. Die Deutschen seien dafür bekannt, dass sie alles genau planen würden, sagte er. „Der deutsche Journalist hat alle möglichen Quellen durchsucht, die sich bei der Konferenz als Angriffsfläche eignen könnten“, sagte Sieradzki. Er bestätigte dann aber, dass Trojka tatsächlich am Samstag nicht über das Urteil des EuGH berichtet hatte. Sieradzki begründete dies mit der „Wahlstille“ vor der Kommunalwahl am Sonntag. Trojka habe am Freitagnachmittag sofort über das EuGH-Urteil berichtet und dies bis um Mitternacht wiederholt.

Das Argument der "Wahlstille"

In der Tat wird die „Wahlstille“ in Polen ziemlich rigoros ausgelegt. Trojka habe am Samstag vor der Wahl deswegen keine publizistischen Programme ausgestrahlt, sagte der Vizechef des Programms, Tomasz Kowalczewski, in einem Interview mit der konservativen Tageszeitung „Rzeczpospolita“. Für die Informationsprogramme hätte es am Samstag keine neuen Fakten zum EuGH-Urteil gegeben. Der Tagesspiegel habe also „typische Fake News“ geschaffen, greift auch Kowalczewski an. Andere polnische Medien, darunter selbst das betont regierungsfreundliche Nachrichtenportal wpolityce.pl, hatten am Samstag allerdings durchaus über das EuGH-Urteil berichtet und dieses auch weiterhin im Sinne der Regierung kommentiert. Auch oppositionelle Medien legten das Gebot der „Wahlstille“ lockerer aus.

So ist nun der Eindruck entstanden, dass Trojka bewusst die Nachricht über das für die Regierungspartei ungünstige EuGH-Urteil am Samstag verschwiegen hat, weil die Redaktion annahm, dass ein solcher Bericht den Wahlausgang beeinflussen könne. Genau dies wurde übrigens im Wahlprogramm des Staatsfernsehens am späten Sonntagabend von regierungsnahen Kommentatoren als Begründung für das für die Regierungspartei ungünstige Resultat in mehreren Großstädten angeführt. Der Schuldige war dort allerdings nicht der Bote, sondern der EuGH selbst.

Beim Deutsch-Polnischen Forum stellte Duda die Zwangspensionierung von Richtern im Rahmen der polnischen Justizreform als notwendigen „Generationswechsel“ dar. Er diene dem Ziel, dass Richter, die in den kommunistischen Zeiten bis 1989 an Unrechtsurteilen beteiligt waren, nicht heute noch an höchsten Gerichten Recht sprechen dürften. Auf die Frage des Tagesspiegel-Korrespondenten, auf wie viele der 27 zwangspensionierten Richter, deren Wiedereinstellung der EuGH gefordert hatte, dieser Vorwurf zutreffe, gab Duda keine Antwort. Paul Flückiger, Poznan/Warschau

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