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Wahlkampf: Auf Kuschel-Kurs

Frank-Walter Steinmeier schwärmt von seiner harmonischen Ehe, Kanzlerin Angela Merkel schickt ihren Mann einkaufen. Kurz vor der Bundestagswahl versuchen Poltiker, mit Privatem zu punkten - nicht immer erfolgreich.

Zwar ist Frank-Walter Steinmeier Außenminister und SPD-Kanzlerkandidat, trotzdem schafft er es, morgens frische Brötchen zu holen, nachts Löcher für ein neues Möbelstück seiner Tochter in die Wand zu bohren und Streit mit seiner Frau gibt’s höchstens mal beim Kochen. Steinmeier, ein Traummann mit heiler Familie – das suggeriert zumindest das Interview, das jetzt in der „Bunte“ zu lesen ist: Der Kanzlerkandidat und seine Frau Elke Büdenbender erzählen darin ausgiebig von ihrem scheinbar harmonischen Privatleben und zeigen sich beim Lesen und Blumengießen im Garten.

Solche Geschichten aus dem Privatleben von Politikern häufen sich jetzt kurz vor der Bundestagswahl am 27. September in den bunten Blättern. So ließ sich Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) beim Wandern in den Alpen begleiten, Jürgen Trittin erzählte, dass er Fan des Musikers Prince ist und als Grüner natürlich Müsli frühstückt. Ganz bewusst wird hier Privates zur Politik, denn die Wahlkämpfer wissen: „Wer bei den Wählern als sympathisch wahrgenommen werden will, darf nicht als reiner Politikroboter auftreten“, sagt Gerd Langguth, Professor für Politik an der Universität Bonn und Autor der Biografie „Angela Merkel“. Und so schwärmt Steinmeiers Frau im Interview gegen das technokratische Image ihres Mannes an und erzählt, wie „klug und humorvoll“ er sei, dass der „auch über sich selbst lachen“ könne und „einfach gut“ aussehe.

Sebastian von Bassewitz, stellvertretender „Bunte“-Chefredakteur, ist sogar überzeugt, dass weiche Faktoren wie der Lebensstil eines Politikers mindestens genauso wichtig sind wie seine politischen Konzepte: „In Zeiten, in denen Programme austauschbar erscheinen, wird die Persönlichkeit der Politiker zu einem wichtigen Faktor bei der Wahlentscheidung. Die Leute wollen wissen, was für einen Typ Mensch sie da wählen.“ Zuletzt zeigte Barack Obama, wie erfolgreich Politiker mit Privatem punkten können. Obama verkörpert in den Medien den perfekten Familienpapa und bedient auch nach seiner Wahl zum US-Präsidenten dieses Image, ließ sich erst neulich beim Familienausflug fotografieren.

Doch wer zu viel von sich preisgibt, läuft Gefahr, an Respekt zu verlieren. Verteidigungsminister Rudolf Scharping wurde sogar es zum Verhängnis, als er für die „Bunte“ mit Kristina Gräfin Pilati-Borggreve auf Mallorca scheinbar sorglos im Pool planschte, während die Bundeswehr vor ihrem Einsatz in Mazedonien stand. Scharping war kein „Politikroboter“ mehr – er war überhaupt nicht mehr ernst zu nehmen in seinem Amt. Kurz vor der Bundestagswahl 2002 wurde er unter anderem wegen der „Mallorca-Affäre“ entlassen.

Andere Politiker versuchen dagegen, sich mit privaten Einblicken aus Affären zu retten. So feierte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) kürzlich seinen 60. Geburtstag und dankte bei der Jubiläumsfeier in der Münchner Staatskanzlei seiner Frau Karin und seinen Kindern „für die Unterstützung“, danach strahlte die Familie für die Fotografen um die Wette. Dass Seehofer in Berlin ein Kind mit einer anderen Frau hat, machen solche Bilder aber nicht vergessen. „Die Leute haben ein feines Gespür, ob die Familienidylle wirklich real ist“, sagt Langguth. Dass es auch im Hause Steinmeier/Büdenbender wie in jeder normalen Ehe mal kracht, ahnen die Leser trotz des „Bunte“-Interviews.

Doch auch wenn Steinmeier und seine Frau offen über ihre Liebe plaudern, bleibt es bei einer „Homestory light“: Der Blick in den privaten Garten ist genehmigt, über die Türschwelle lässt Steinmeier die Fotografen nicht. Seine Konkurrentin Angela Merkel (CDU) ist noch verschlossener. Bilder aus der Privatwohnung der Kanzlerin gibt es nicht und dass ihr Mann Joachim Sauer öffentlich schwärmt, wie hübsch er seine Frau findet, wie gerne er ihre Gans isst und wie sehr er sie liebt, ist kaum vorstellbar. „Merkels Mann ist öffentlichkeitsscheu, außerdem hat er keine Lust, als eine Art deutscher Dennis Thatcher wahrgenommen zu werden, der seiner Frau die Tasche trägt. Es wird wohl nie eine Homestory von den beiden geben“, sagt Langguth.

Dafür achtet Merkel umso mehr darauf, in Interviews immer wieder Privates einzustreuen und sich dadurch zumindest ein bisschen greifbarer zu machen. So sagt sie in der aktuellen „Cosmopolitan“, dass sie gerne beim Kochen entspannt. Damit bedient sie zwar ein typisch weibliches Klischee, aber wer Weltwirtschaftskrisen lösen will, kann natürlich kein Heimchen am Herd sein. Die Hausarbeit im Hause Merkel/Sauer ist klar aufgeteilt, verrät sie in der „Emma“: „Ich schreibe ihm am Freitag einen Zettel - und dann kauft er fürs Wochenende ein“. Fürs Brötchenholen haben wohl nur Kandidaten, nicht aber Kanzlerinnen Zeit.

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