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Medien: „Wallander wird mich weiter begleiten“

Wo der Kommissar aufhörte, macht Tochter Linda weiter – und der Autor Henning Mankell sowieso

Herr Mankell, Sie haben Ihren Romanhelden Wallander vor acht Jahren in den Ruhestand geschickt. Dennoch ermittelt Ihr eigenwilliger Kriminalist weiter, und zwar in den Verfilmungen. Ist er Ihnen im Laufe der Jahre fremd geworden?

Ein wenig schon. Er ist zurzeit etwas aus meinem Blickfeld verschwunden, was aber nicht bedeutet, dass er für immer weg sein würde. Als ich die Wallander-Reihe abgeschlossen hatte, stand für mich bereits fest, dass ich über Wallanders Tochter Linda schreiben will. Und in diesem Fall findet auch ihr Vater ganz sicher zurück in meine Gedanken.

Einen Linda-Roman gibt es ja bereits…

…und ich habe geplant, zwei weitere folgen zu lassen. Allerdings weiß ich noch nicht, wann ich das tun werde. Sie sehen: Wallander wird mich weiterhin begleiten – als fiktive Figur.

Ist er wirklich so fiktiv oder trägt er doch einige Züge von Ihnen? Man sagt auch Ihnen nach, ein Workaholic zu sein.

Es stimmt zwar, dass Wallander und ich den gleichen Musikgeschmack und etwa das gleiche Alter haben, doch Workaholics sind wir keineswegs! Okay, wir arbeiten sehr viel, doch das macht uns noch lange nicht zu Arbeitssüchtigen.

Was unterscheidet Sie?

Frauen gegenüber tritt Wallander sehr derb auf – ich nicht. Überhaupt hat er ein ganz anderes Benehmen. Ich bin kein Typ, der sich in der Rolle eines Einzelkämpfers wohl fühlt.

Ist der „Mittsommermord“ auch der persönlichste Fall des Ermittlers?

Vielleicht, denn alle seine Kollegen werden in diesen Fall hineingezogen. Doch ein professioneller Polizist muss stets objektiv auf einen Fall blicken können.

Doch in diesem Fall besteht eine persönliche Beziehung, denn Wallanders Kollege Svedberg kommt ums Leben.

Das stimmt. Und es ist natürlich eine persönliche und private Dimension. Es ist das erste Mal, dass eine Ermittlung Wallanders einen derartigen Verlauf nimmt, indem er selbst immer stärker persönlich hineingezogen wird.

Was hat Sie zu „Mittsommermord“ inspiriert?

Die Frage, die mich beschäftigte, war: Wie reagiert jemand, der seinen Job verloren hat und glaubt, nicht fair behandelt worden zu sein?

Glauben Sie, dass Sie als Autor etwas bewegt haben?

Es mag ein wenig romantisch klingen, doch ich möchte, dass es einen Unterschied macht, ob ich auf der Welt gewesen bin oder nicht. Mein politischer Einfluss als Autor ist begrenzt, doch ich kann zumindest auf der richtigen Seite der Fragen gestanden haben.

Trifft das auch auf Linda-Krimis zu? Oder haben Sie diese Figur nur den Wallander-Fans zuliebe erfunden?

Ich würde niemals auch nur eine einzige Geschichte schreiben, weil jemand es von mir erwartet! Ich fahre mit den Linda-Romanen nur dann fort, wenn ich auch etwas Wichtiges zu erzählen habe.

Wie können wir Ihrer Meinung nach die Ungerechtigkeit bekämpfen?

Indem wir die Umstände bekämpfen, denn es gibt immer Gründe für hässliche Dinge. Schauen Sie zurück auf den Balkankrieg, in dem sich plötzlich Nachbarn umgebracht haben. Nicht, dass sie über Nacht zum Teufel wurden. Nein, es war die Situation, die eine Eskalation provoziert hatte. Einer der Umstände, der zum Beispiel immer wieder Gewalt und Kriminalität hervorruft, ist Armut.

Macht Sie das wütend?

Ja, vor allem wenn ich sehe, dass so viele Probleme von heute schon gestern hätten gelöst werden können. Ein Beispiel: Es gibt kein Kind auf der Welt, das an Malaria sterben müsste. Es ist in unser aller Interesse, diese Krankheit auszurotten, doch wir tun es einfach nicht. Millionen Kinder werden weiterhin an Malaria sterben. Das ist eine Schande.

Seit 20 Jahren gehören Sie zum Team des „Teatro Avenida“ in Maputo und verbringen jedes Jahr mehrere Monate in Mosambik. Sind Sie für die Menschen dort noch immer ein Exot?

Dieses wundervolle Abenteuer hatte mir schon damals sehr schnell gezeigt, dass es für einen weißen Europäer kein Problem ist, in einem lebendigen afrikanischen Theater zu arbeiten. Wir haben den Beweis erbracht: Kunst ist ein Ort auf der Welt, wo es keine künstlichen Grenzen wie Rasse, Identität und Sprache gibt.

Das Gespräch führte Rainer Vogt.

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