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Atze Schröder sprang für Cindy aus Marzahn als Assistent von Markus Lanz (rechts) ein. Ein Moment der Fremdscham, verknüpft mit der Frage, warum sich das ZDF für „Wetten, dass..?“ beim Freakpersonal des Privatsenders RTL bedient. Foto: dpa

© Sascha Baumann

Medien: Wann kann’s der Lanz?

„Wetten, dass..?“ lebt. Aber der Moderator muss noch Showmaster werden.

Was nach zwei Ausgaben mit Markus Lanz erreicht ist: Das ZDF hat „Wetten, dass..?“ aus der Vergangenheit in die Gegenwart geholt. Die Kippfigur der Samstagabendunterhaltung hat wieder Stand. Verdienst des reformierten Konzeptes oder Verdienst des neuen Moderators Markus Lanz?

Die Wahrheit liegt nicht in der Mitte. Das Grundgerüst wirkt nach der Überarbeitung deutlich stabilisiert. Im Dreieck aus Wetten, Gästen und Showacts hat der Druck auf den Moderator nachgelassen. „Wetten, dass..?“ ist nicht mehr die Show von und für Thomas Gottschalk, es ist eine Show mit Markus Lanz. Der zeigt nicht nur Strahlkraft. Der 43-Jährige tritt in manchen Momenten so auf, als müsste er gerade noch seine Karteikarten auswendig lernen und könnte erst dann seine Fragen, Scherze und Sottisen nach planwirtschaftlicher Manier runterrattern. Spontan kann er (noch) nicht – der nervöse Lanz arbeitet einen Sendeplan ab.

Eine Schwäche, die dem erfahrenen Talker Lanz schier zur Schande gereicht: Was will er von seinen Couchgästen wirklich wissen? Zwar stellt er nicht wie in der Premiere nur Wikipedia-Fragen an seine internationalen Stars wie Halle Berry oder Tom Hanks, dafür kommt das Interesse zu liebedienerisch rüber. Deutsche waren auch unter den Opfern: Jutta Speidel, Oliver Welke, Barbara Schöneberger. Warum die TV-Nasen da waren, haben sie nicht verraten, allerdings bei der sehr schwangeren Frau Schöneberger die Sorge mitschwingen muss, ob sie als erste Moderatorin live im Fernsehen entbinden will. Eine Unart kann das ZDF den Stars offenbar nicht austreiben, das Kommen und Gehen. Robbie Williams sang ein Liedchen, wackelte mit dem Hintern, plauderte drei Sätze, und weg war er.

Unverändert in der zweiten Reihe sitzen die Wettkandidaten. Aber geradezu mitmenschlich, dass sie bei Lanz Teil der Tafelrunde geworden sind. Sind doch Lebewesen und nicht Maschinen, die ihre Freizeit einer circensischen oder trickreichen Herausforderung widmen. Spektakulärste unter den nicht wenigen spektakulären Wetten war die später siegreiche Jojo-Nummer. Natürlich ist die Sinnfrage in einer U-Show sinnlos, doch die Antwort, warum beispielsweise eine Erzieherin sich 365 Tage lang darauf trainiert, zwischen 230 Nagellacken zu unterscheiden, täte schon interessieren. Herr Lanz, hätten Sie den Mut zur Frage? Mutig ist er ja, der Bursch aus Südtirol. Haut sich wie Stefan Raab selbst in eine Wette rein. Schwiegermuttis Traum legt das Jackett ab, schwitzt beim Sackhüpfen, gewinnt. Der Moderator als Mensch, niedlich.

Für „Wetten, dass..?“ aus Bremen hatte Lanz Überraschendes angekündigt. Damit war wohl die Assifrage gemeint. In der Premiere war es Cindy aus Marzahn. Die Pinklady stahl dem Lanz die Show. Jetzt konnte sie nicht – der Rücken (oder eine RTL-Intervention?). Dafür kam Atze Schröder, ein Wiedergänger aus dem Totenreich des Privatfernsehens. Tom Hanks, der wie andere Stars sich bereitwillig an Spiel und Spaß beteiligte, bekam eine Lektion in deutschem Humor erteilt. Zwischenzeitlich wirkte der gut gelaunte US-Schauspieler mehr als irritiert über diese „German Peinlichkeit“. Beim nächsten Mal soll wieder Cindy ran. Im Angesicht von Atze Schröder ist das die gute Nachricht in der schlechten, dass das ZDF sich seine „Lustigmenschen“ bei RTL besorgt.

„Wetten, dass..?“ hat mit der zweiten Lanz-Nummer an Tempo und Frische gewonnen. Die ZDF-Macher wissen schon genauer, was Zentrum, was Randlage ist. Das ist keine Kleinigkeit, wie die Couchstars in die Wetten eingebunden werden. Das Rad aus Lachen, Wetten, Klatschen, Singen dreht sich schneller, nur dreht es sich fast immer gleich schnell. Eine Dramaturgie, die auf Höhepunkte aus ist, die ist nicht zu erkennen. Da werden drei Stunden lang und zu lang. Es fehlt am Willen zur Konzentration.

Das hat Markus Lanz geschafft. Die Sehnsucht nach Thomas Gottschalk, dem 23 Jahre langen Moderator von „Wetten, dass..?“, die gibt es schon nach zwei Lanz-Nummern nicht mehr. Die Show lebt. 10,74 Millionen Zuschauer am Samstag nach der Sensationsmarke von 13,62 Millionen bei der Premiere beweisen es. Aber eine neue Erwartung ist heraufgekommen: Dass Lanz die Veranstaltung entschlossener in die Hand nimmt. Nicht der Getriebene ist, sondern die treibende Kraft im Geschehen. Lanz wird der Sendung nicht rasch eine, seine Signatur geben. Dazu ist er zu vorsichtig, zu kalkuliert, zu sehr Ranschmeißer und zu sehr seiner bisherigen Erfolgsspur verpflichtet: Allen wohl, möglichst keinem wehe. Das Prinzip „Animateur“ eben. Auf die Showmaster-Werdung des Südtirolers muss weiter gewartet werden. Anders: Wann wird aus dem Kellner von „Wetten, das..?“ der Koch?

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