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Medien: Warten auf einen angekündigten Tod

Der Umgang der Medien mit dem langen Sterben des Papstes zeigt große Unsicherheit

Das natürliche Sterben eines Menschen vollzieht sich in der Regel langsam. Die Informationsgesellschaft hingegen gehorcht dem Gebot der Schnelligkeit. Warten haben die Medien nicht gelernt, schon gar nicht das Warten auf einen angekündigten Tod wie jetzt im Fall des Papstes. Sie meinen es der Öffentlichkeit schuldig zu sein, Neuigkeiten zu vermelden – wenigstens jede Stunde im Fall der elektronischen Medien und eine Auswahl der wichtigsten Ereignisse des vergangenen Tages im Fall der Zeitungen.

Was aber, wenn sich die Nachrichtenlage nicht verändert? Oder wenn das Ereignis, auf das sich eine Zeitungsredaktion vorbereitet, zur Unzeit eintritt, wenn sie nicht reagieren kann, weil die nächste Ausgabe erst am Montag erscheint, was „zu spät“ sein könnte?

Manche journalistischen Versuche der jüngsten drei Tage, eine erwartete Nachrichtenlage vorwegzunehmen oder die vorhandenen Informationen zumindest „weiterzudrehen“, zum Beispiel durch die Interpretation von Symbolhandlungen oder die Befragung von Menschen, die vermeintlich ganz nah dran sind, verraten eine tiefe Unsicherheit über den richtigen Umgang mit dieser ungewohnten Situation. Wer Symbole und Rituale verlässlich deuten will, muss mit ihnen vertraut sein. Das Schließen einer Bronzetür bedeutet nicht das Gleiche wie das Schließen der Fenster der Papstgemächer. Mehrfach musste der Vatikan verfrühte Meldungen über den Tod Johannes Paul II. dementieren. Ein deutscher Nachrichtensender behauptete am Freitagabend mehrfach, der Papst werde mit Sicherheit die Nacht nicht überleben. Eine Falschmeldung, wie man am Sonnabend wusste. Es gab Fernsehmomente in den letzten Tagen, bei denen man sich gewünscht hätte, nur die Bilder von den mitfühlenden Menschen auf dem Petersplatz zu sehen – und dass die Reporter oder Moderatoren geschwiegen hätten, wenn sie gerade nichts Angemessenes zu sagen wussten.

Gewiss, wo Menschen arbeiten, geschehen Fehler. Doch der Tod ist keine Nachricht wie jede andere – genauso wenig, wie eine falsche Todesanzeige über einen Lebenden als Aprilscherz oder Dumme- Jungen-Streich durchginge. Das rührt an die Würde des Menschen. Auch Nachrufe veröffentlicht man nach aller Regel nach dem Tod – und nicht in erwartungsvoller Vorwegnahme.

Aber ist es überhaupt richtig, dass die Fernsehkameras das Sterben des Papstes so nah begleiten? Johannes Paul II. hat wie kein Papst zuvor die Medien als Teil seines Amtes begriffen. Und er hat auch ganz bewusst über Fernsehbilder die Botschaft transportiert, dass Altern und Leiden zum Leben dazugehören und kein Tabubereich sind. Warum dann nicht auch der Tod einer so prominenten Figur – sofern die Medien seine Würde achten?

Die Kirche und die Gläubigen haben es da leichter. Die Anteilnahme am Sterben eines lieben Menschen drücken sie im Gebet aus und in der Rückschau auf sein Leben. Es ist Teil des Abschiednehmens.

Journalisten sind es gewohnt, kritisiert zu werden, wenn sie eine wichtige Neuigkeit verpassen – also zu spät dran sind. Das langsame Sterben des Papstes könnte ein Anlass sein, darüber nachzudenken, ob sie auch zu früh dran sein können.

Die ARD hat zu den Ereignissen im Vatikan ein „Morgenmagazin extra“ ab 9 Uhr im Programm; Phoenix zeigt um 13 Uhr und um 18 Uhr den Dokumentarfilm „Der Fels“ über den Papst.

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