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2017: Uwe Steimle (Mitte) in Dresden bei der Verabschiedung einer "Friedensfahrt" nach Moskau.

© Sven Ellger/Imago

Update

„Was ich denke, will ich sagen“: Der Kabarettist Uwe Steimle und seine rechte Mission

„Kraft durch Freunde" statt „Kraft durch Freude“ - wieder provoziert Uwe Steimle. Der MDR als Arbeitgeber hält dennoch zu ihm.

Von Matthias Meisner

Es ist nur die neueste einer Serie von rechten Provokationen von Uwe Steimle. Am Pfingstmontag postete Jörg Schlechte, bisher Rechtsaußen-Stadtrat der Meißener CDU, ein gemeinsames Foto mit dem Dresdner Kabarettisten, der als Hauptkommissar Jens Hinrichs beim "Polizeiruf 110" von 1993 bis 2009 bundesweite Bekanntheit erlangte. Steimle posiert in einem T-Shirt - für ihn im DDR-Sprachgebrauch ein "Nicki" - mit der Aufschrift "Kraft durch Freunde" in Fraktur.

Der Bezug zur NS-Organisation "Kraft durch Freude" ist offenkundig beabsichtigt. Schlechte schreibt dazu: "Netter Besuch eben. Uwe bringt die ,Niggis' für meine Töchter vorbei. KRAFT DURCH FREUNDE."

Missglückte Satire - oder rechtsradikale Agitation? Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR), konfrontiert mit dem Posting, mag sich nicht so recht festlegen, was er von dem Auftritt seines Mitarbeiters im KdF-Shirt hält. Nur mit einem knappen Eintrag auf Twitter reagiert der Sender: "Uwe Steimle ist Kabarettist und Satiriker. In den Sendungen, die der MDR mit ihm als freiem Mitarbeiter produziert, achten wir darauf, dass seine Satire auch als solche erkennbar ist."

Kein Wort dazu, dass Steimle sich positiv auf KdF als Unterorganisation der Deutschen Arbeitsfront bezieht, die größter Reiseveranstalter im "Dritten Reich" war und half, die Bevölkerung zu überwachen und gleichzuschalten. Auf die Tagesspiegel-Anfrage wie der Sender den Auftritt im "Kraft durch Freunde"-Shirt bewertet, erklärte die MDR-Pressestelle: "Wir bewerten das, was Herr Steimle in unserem Programm tut."

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Denn: Steimle sorgt für Quote. Trotz - oder möglicherweise sogar wegen - seiner regelmäßigen rechten Ausfälle. Zwar haben schon in den vergangenen Jahren Äußerungen von ihm immer wieder zu Diskussionen im Sender geführt. Beispielsweise 2018, als Steimle in einem Interview mit der "Jungen Freiheit" den öffentlich-rechtlichen Rundfunk - seinen Arbeitgeber - heftig attackierte. ZDF-Moderator Claus Kleber beschimpfte er als "Karl-Eduard von Schnitzler der BRD" - Schnitzler war Moderator der Agitationssendung "Der schwarze Kanal" im DDR-Fernsehen.

Damals erklärte der MDR: "Die Aussage von Uwe Steimle ist für den MDR nicht akzeptabel. Damit stellt er sich gegen alle, die täglich politisch unabhängiges Programm machen. Wir werden das mit Uwe Steimle persönlich auswerten." Verwundert fragte der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz, der in Horst Seehofers Innenministerium die Verantwortung für den Bereich Heimat hat: "Was gibt es da auszuwerten? Der gute Mann ist offensichtlich Träger des goldenen Aluhuts - und hat als Verschwörungstheoretiker im Programm eines qualitätsjournalistisch verantworteten Senders schlicht nichts verloren."

Für den MDR gilt Steimle als „Heimatforscher“

Bisher wurde als Ergebnis der Gespräche der MDR-Verantwortlichen mit Steimle nur bekannt, dass "Satire von Herrn Steimle in den Sendungen des MDR auch als solche zu erkennen sein muss", wie die MDR-Pressestelle mitteilte.

Dass der Sender auf Steimle verzichten will, zeichnet sich nicht ab. Im Gegenteil: Regelmäßig alle paar Monate ausgestrahlt wird die Fernsehsendung "Steimles Welt", in der sich der Schauspieler - so die Ankündigung - im seinem Wartburg 312 "auf die Suche nach Bewahrenswertem in seiner sächsischen Heimat" begibt. Weitere Folgen von "Steimles Welt" sollen am 25. August und 17. November ausgestrahlt werden, sie sind nach Angaben des Senders bereits produziert beziehungsweise disponiert.

Im Mai porträtierte der MDR Steimle in der Serie "Lebensläufe", stellte ihn vor als "Heimatforscher und Störenfried", als "Mann, der zum kulturellen Inventar Mitteldeutschlands gehört".

In diesem Film kommt Steimle ziemlich gut weg. "Ich möchte, das was ich fühle, empfinde, denke, sagen dürfen, aussprechen dürfen, sagt der Schauspieler in der Sendung. Er wolle sich von niemanden vorschreiben lassen, "was und wie ich zu denken habe. Das empfinde ich als ganz großen Luxus, mit allen Konsequenzen". Pegida stehe er "mitnichten" nahe, versichert der Schauspieler. Überprüft wird diese Aussage nicht.

"Ist Steimle nach rechts gewandert, wie die Wahlergebnisse seiner sächsischen Heimat?", fragt der Autor des "Lebensläufe"-Porträts, Jens-Uwe Korsowsky, ohne die Antwort zu geben. Korsowsky stellt Steimle vor "unangepasst, provokativ, frei im Geist". Und sagt: "Sein Unbehagen spiegelt das Unbehagen seines Publikums."

Nähe zu Pegida und AfD

2009 noch hatte die Linkspartei Steimle in die Bundesversammlung gewählt, damals warb der Schauspieler dort für seinen Kollegen Peter Sodann als Bundespräsidenten. Der NDR kündigte Steimle anschließend als Schweriner "Polizeiruf"-Fernsehkommissar. Steimle war überzeugt, dass er aus politischen Gründen und wegen Aufmüpfigkeit rausgeschmissen wurde. Die "FAZ" überschrieb ein Porträt: "Der Gekränkte".

Inzwischen hat Steimle keine Berührungsängste mehr mit Rechtspopulisten. Er war 2018 gemeinsam mit Thilo Sarrazin, Vera Lengsfeld, Eva Herman, Uwe Tellkamp und anderen Erstunterzeichner der "Gemeinsamen Erklärung", die Deutschland durch "illegale Masseneinwanderung beschädigt" sah.

Seine Kontakte ins AfD- und Pegida-Milieu sucht der Kabarettist regelmäßig auch in der Provinz. Der Meißener Noch-Stadtrat Schlechte, der das gemeinsame Foto mit Steimle postete, hatte zuvor unter anderem mit der früheren Pegida-Frontfrau Tatjana Festerling posiert. Am Pfingstwochenende trat Steimle beim Meißener Literaturfest gemeinsam mit zwei weiteren Gesinnungsgenossen auf: der früheren MDR-Moderatorin Katrin Huß, die nach ihrem Abgang Ende 2018 die "Meinungsmache" bei ihrem ehemaligen Sender anprangerte. Und dem Autor Sebastian Hennig, der Pegida-Anführer Lutz Bachmann in einer von ihm verfassten wohlwollenden Chronik als "volkstümlichen Agitator" lobt und der dem ultrarechten thüringischen AfD-Chef Björn Höcke mit einem Interviewband eine Plattform gab.

Steimle selbst verteidigte sein KdF-Shirt in der "Bild"-Zeitung. Er sagte dem Blatt: "Ich bin Satiriker! Vermutlich hätte Jan Böhmermann für diesen Spruch einen doppelten Grimme-Preis mit Eichenlaub bekommen." Die Debatte um ihn nannte Steimle "Blödsinn".

Ein langjähriger Freund von ihm, der mit seiner Aussage nicht namentlich zitiert werden will, stellt fest: "Uwe Steimle entwickelt eine immer größere Nähe zu politischen Kräften der äußersten rechten Seite." Der Freund sagt das mit Bedauern. Und Ratlosigkeit.

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