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Medien: „Was treibst du hier eigentlich?“

Der Schauspieler Frank-Thomas Mende über 15 Jahre „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ und – „Knalltüten“

Herr Mende, „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ läuft seit 15 Jahren, montags bis freitags, von Anfang an mit Ihnen. An wie vielen Tagen im Jahr drehen Sie?

260 Tage muss ich verfügbar sein. Ungefähr die Hälfte davon sind meine Drehtage. Das hängt auch davon ab, wie groß meine Geschichte gerade ist.

Sie spielen seit über 3700 Folgen die gleiche Rolle – das ist Rekord im deutschen Fernsehen. Bedeutet Ihnen das etwas?

Wir sind die erfolgreichste Serie Europas. Das muss man sich mal vorstellen. Nach 15 Jahren haben wir Marktanteile über 20 Prozent in der Zielgruppe.

… der 14- bis 49-Jährigen …

… wir erreichen fast ein Drittel der Zuschauer, die wir ansprechen wollen. Und das gegen die „Tagesschau“. Wir haben Fernsehgeschichte gemacht. Das macht mich schon stolz. Ich bin der dienstälteste deutsche Serienschauspieler.

Davor haben Sie Philosophie studiert. Ich haben einen Satz von Ihnen gelesen: Clemens Richter, die Figur, die Sie so lange spielen, sei Ihr zweites Ich. Manche suchen jahrelang ihr Ich, Sie haben gleich zwei.

(lacht) Naja, ganz so ist es nicht. Man hat sich halt die Figur, den Charakter, unter den Nagel gerissen. Man muss seine Rolle schützen. Der Clemens Richter hat schon Züge von mir. Das bleibt gar nicht aus. Aber zweites Ich? Ach nee …

Die meisten Schauspieler betonen, wie sehr sie sich von ihren Figuren unterscheiden.

Richtig. Das habe ich schon beim Theater gesagt: Ich gebe meine Rolle beim Pförtner ab. Ich verlasse das Theater und bin Frank-Thomas Mende. Das gilt auch für die „GZSZ“. Natürlich wird man auf gewisse Art Volkseigentum, wenn man den Leuten 15 Jahre lang jeden Abend ins Wohnzimmer kommt. Die rufen beim Einkaufen: „He, Clemens“ oder „Herr Richter!“ Als ich eine Zeit lang einen Blinden spielte, fragten mich viele auf der Straße: „Und, ist mit Ihren Augen wieder alles in Ordnung?“

Nervt Sie das?

Nein, ich reagiere natürlich drauf. Das ist schon in Ordnung. Im Urlaub mache ich aber fast nur Fernreisen, damit ich nicht angesprochen werde wie in der Türkei, in Prag oder Rom.

Wachen sie manchmal morgens auf und denken, Sie seien Clemens Richter?

Gar nicht. Da gibt’s keine Ich-Spaltung. Manchmal träume ich, dass ich auf der Bühne stehe, in einem Stück eingesprungen bin, das ich nicht kenne. Alle um mich herum sagen: Mach’ dir keine Sorgen. Da tauchen auch Kollegen auf, aber nicht der Clemens Richter.

Vielleicht ist es für Soap-Darsteller gar nicht so schlecht, wenn man über 15 Jahre von Autoren gesagt bekommt, was man zu tun und zu sagen hat, angesichts des ständigen Sich-Entscheiden-Müssens und anything goes im wirklichen Leben.

Gute Frage (überlegt). Zu gut, als dass ich darauf eine Antwort wüsste. Ich werde oft gefragt, ob das nicht langweilig wird nach 15 Jahren. Dann sage ich: Fragen Sie das einen Arzt oder Rechtsanwalt. Hmmm, beantwortet das Ihre Frage?

Ich versuch’s mal andersherum. Ihre Serien-Figur war Verleger, verlor den ersten Sohn, wurde später Vater eines unehelichen Sohns, hatte einen Herzinfarkt, Beziehungen zu Vera, Anna, Susanne, kaufte und verkaufte eine Werbeagentur …

… war erblindet, dann spielsüchtig, das war toll, reiste länger nach Brasilien, wurde jetzt Aushilfslehrer …

… kriegen Sie die Lebensgeschichte, die Umschwünge der Serienfigur Clemens Richter über 3740 Episoden noch zusammen?

Nein. Die großen Geschichten weiß man aber schon noch. Manchmal warte ich in der Deko am Set von „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ auf meinen Auftritt und denke, mein Gott, was treibst du hier eigentlich?

Als Sie am 11.5.1992 den ersten Satz in „GZSZ“ sprachen, hätten Sie gedacht, dass Sie 15 Jahre Seifenoper machen?

Ich habe lange in England und den USA gelebt, kannte das dortige Fernsehen gut. Ich weiß, was für einen Stellenwert Serien dort haben. Wenn ich meinen Bruder in den USA besuche, feiern die seine Bekannten wie einen Star. Ich habe immer an den Erfolg dieser Serie geglaubt, auch wenn wir anfangs in Deutschland mit Jauche übergossen wurden.

Aber Soaps werden für jüngere Zielgruppen gemacht. Sie sind jetzt 57. Es ist ja eher nicht so, dass es Soap-Darsteller über 40 noch so richtig krachen lassen können wie George Clooney im Kino.

Die über 50-Jährigen tragen in „GZSZ“ sicher nicht mehr die Hauptgeschichten. Das ist kein Geheimnis. Letztendlich entscheidet RTL, was mit uns „Älteren“ geschieht. Das Interesse der Zielgruppe an uns ist allerdings ungebrochen. DIE FIRMA IN]

Götz George hat über Soap-Darsteller gesagt, die „Knalltüten“ wüssten gar nicht, was echte Schauspieler täglich leisten.

Der Satz war grauenvoll. Obwohl, ich kann’s ihm nicht übel nehmen. Durch die Masse an Telenovelas und Soaps sind viele vor Kameras gerutscht, die da nichts verloren haben. Die schwänzen einen anderen Beruf.

Das kommt auch bei Pilcher-Filmen vor.

Da verstehe ich den George schon. Trotzdem fühle ich mich auf den Schlips getreten. „GZSZ“ ist Knochenarbeit. Wir haben 20 Minuten Zeit pro Szene. Dass da nicht immer große Kunst entsteht – geschenkt. Was viele vergessen: Vor „GZSZ“ hatte ich eine veritable Karriere an mehreren Theatern in der Republik. Es gab ein Leben vor der Serie, es gibt ein Leben mit der Serie, und ich bin ganz sicher: Es gibt ein Leben nach der Serie.

Das Gespräch führte

Markus Ehrenberg

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