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Algorithmen gegen Lügen.

© picture alliance / Frank Rumpenh

Was tun gegen Täuschungsfälle im Journalismus?: Mit Leitfäden und Algorithmen

Täuschungsversuche nun auch beim Radio und die Erkenntnis: So etwas lässt sich nie ganz vermeiden.

Die Causa Relotius beim „Spiegel“, ein RTL-Reporter, der für das Magazin „Punkt 12“ mehrere Beitrage manipuliert hatte – nun ist die Debatte über Betrugsfälle im Journalismus auch im Radio angekommen: Ein Mitarbeiter des Deutschlandradios hatte in den vergangenen Monaten O-Töne verwendet, die nicht von ihm selbst waren. Der öffentlich-rechtliche Sender, der die Zusammenarbeit mit dem Journalisten, der rund 20 Jahre für das Deutschlandradio arbeitete, beendet hat, muss sich nun Fragen nach Konsequenzen gefallen lassen. Radiosender überdenken ihre internen Regeln und Arbeitsabläufe.

„Ganz vermeiden lassen sich Täuschungsfälle nie. Aber wir können versuchen, sie maximal unwahrscheinlich zu machen“, sagt Deutschlandfunk-Chefredakteurin Birgit Wentzien. Dafür arbeite der Sender an einem Update des Leitfadens „Journalistisches Selbstverständnis“, der um die Themen Algorithmen und Lügen erweitert werde und für alle Redaktionen verbindlich ist. „Wir müssen in der Lage sein, jederzeit dokumentieren zu können, wie eine Geschichte zustande gekommen ist.“

Konkret nachgedacht werde beim Deutschlandradio auch über Maßnahmen, die über das Vier-Augen-Prinzip hinausgehen, „zum Beispiel Rechercheprotokolle, in denen Autoren Kontaktdaten ihrer Gesprächspartner festhalten. Außerdem überlegen wir, eine Ombudsperson zu etablieren, die stichprobenartig Beiträge prüft und ansprechbar ist, wenn Zweifel auftauchen.“

Ähnlich der SWR: „Beitragstexte und -töne werden von den Redakteuren im Vier-Augen-Prinzip abgenommen und dabei auf Glaubwürdigkeit und Nachvollziehbarkeit sowie auf Richtigkeit von Namen und Fakten geprüft“, sagt Gabi Biesinger, zweite multimediale Chefredakteurin des SWR.

Wo sich Korrespondenten zu welcher Zeit aufhalten

"Bei Hörfunkfeatures werden etwa Manuskripte und verwendete Fakten vor der Produktion gecheckt und auch einem Plausibilitätstest unterzogen." Dieses Verfahren habe sich vielfach bewährt, bis hin zu Projekten, die vorübergehend (selten endgültig) gestoppt wurden, weil Fakten zum Beispiel zunächst nicht wirklich überprüfbar waren. Bei kritischen Passagen werde mitunter das SWR-Justitiariat mit einbezogen.

"Auch Auslandskorrespondentinnen und -korrespondenten, die weit weg von ihren Heimatredaktionen arbeiten, agieren nicht allein und ohne Kontrolle. Sie arbeiten in Studios, oft gemeinsam mit mehreren Korrespondenten." Selbst wenn sie allein für eine Region zuständig sind, werden sie von Assistenzen unterstützt, die sich um Terminvereinbarungen, Reiseorganisation und -abrechnung kümmern.

"So ist in der Regel immer transparent, wo sich die Korrespondentinnen und Korrespondenten zu welcher Zeit aufhalten und mit wem sie sprechen."

Der „Fall Relotius“ wurde auch bei den Programmmachern und Verantwortlichen im WDR breit diskutiert. "In der Folge haben wir unsere Standards und Grundsätze in der Berichterstattung, vor allem auch im investigativen Bereich, in verschiedenen größeren Runden noch einmal geschärft und verschärft", teilte eine WDR-Sprecherin dem Tagesspiegel mit. "Diese Diskussionen mündeten schließlich in ein Papier, ,10 Grundsätze zur Glaubwürdigkeit', das zum einen die Ansprüche an unsere journalistische Arbeit beschreibt, aber auch definiert, welche Aufgaben dabei verschiedenen Beteiligten, Redakteuren, Autoren, Führungskräfte, zukommen."

Im Moment befinde sich das Papier in der finalen Abstimmung und werde dann das bereits schon länger vorliegende Grundsatzpapier „Grundsätze der investigativen Berichterstattung“ ergänzen.

„Hundertprozentigen Schutz gegen vorsätzlichen Betrug gibt es nicht“, sagt RBB-Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus. Es sei unmöglich, jede recherchierte Geschichte komplett ein zweites Mal zu recherchieren, selbst das böte keine 100%ige Sicherheit.“

Trotzdem bleibe der erste und wichtigste Schutz bei allen journalistischen Produktionen das Vier-Augen-Prinzip. Der zweite wichtige Aspekt betreffe die Reaktionen auf Verfälschungen und Manipulationen. Da gebe es im RBB keine Toleranz. „Wer fälscht oder betrügt, kann nicht weiter journalistisch für uns arbeiten. Und wenn Schaden entsteht, ist es unsere vordringlichste Aufgabe, das schnell und transparent öffentlich zu machen.“

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