zum Hauptinhalt

Medien: Wem die Stunde schlägt

Uri Geller verbiegt Gabeln und bringt Uhren zum Laufen – doch es sind die alten Tricks

Henry Maske ist ganz von den Socken, setzt sich erstmal hin, jetzt ist Norbert Blüm an der Reihe. Norbert Blüm hat eine Uhr mitgenommen. Es ist die Uhr eines Mannes, die stehengeblieben ist, als der Mann starb. „Die steht seit fünf Jahren.“ Uri Geller, der Superstar des Abends, fordert die Studiogäste auf, im Chor „funktioniert!“ zu rufen. „Funktioniert!“, schallt es durchs RTL-Studio, „funktioniert!!“ Und es funktioniert: Günther Jauch hält, entgeisterter Blick, die Uhr am Ohr, „sie tickt!“

Es geht drunter und drüber in der „Uri- Geller-Show“. 5,86 Millionen Menschen saßen am Sonntagabend zwischen 20 und 23 Uhr vorm Fernseher – und sahen Verwunderliches: Geller, wie er kaputte Uhren wieder zum Ticken bringt. Geller, der Löffel wie von Geisterhand verbiegt. Geller, der Henry Maskes ausgestreckten Muskelarm wehrlos runterdrückt („ich konnte nichts machen!“)

Wer ist Uri Geller? Einer mit übersinnlichen Kräften – sagt Geller. Kommt ein anderer daher, der noch alle fünf Sinne beisammen hat und etwas Unverschämtes behauptet wie: „Stimmt nicht. Geller benutzt nur Tricks wie viele andere Zauberkünstler auch“, dann kann es sein, dass Geller beleidigt ist und den unverschämten Zeitgenossen verklagt. Und doch ist es so: Geller ist ein Trickser.

21 Uhr 30. Im eigens eingerichteten Call-Center des RTL-Studios „brechen die Leitungen zusammen“, 18400 Zuschauer haben bereits angerufen. Löffel haben sich angeblich verbogen, längst aufgegebene Uhren haben wieder angefangen zu ticken – oder beides zugleich. Bei einer Frau, die es gewagt hat, einen Löffel auf den Fernseher zu legen, sei dieser spontan vom Fernseher auf sie zugeflogen, habe sie aber nur „erschreckt, nicht erschlagen“.

Günther Jauch ist begeistert. Blüm ist baff. Seine Frau Marita ist in der Leitung. „Ich wollte den Norbert überraschen: Der DVD-Player funktioniert wieder!“ Blüm: „Mensch, warum hast du nicht auch die Waschmaschine hingestellt!“

Schon einmal hat Uri Geller Deutschland ins Geller-Fieber versetzt. 1974 war das, da brachte er in Wim Thoelkes „Drei mal Neun“ kaputte Uhren zum Ticken. Damals hatte der „Spiegel“ eine von Gellers angeblich per Gedankenkraft zerbrochene Gabel von der Berliner Bundesanstalt für Materialprüfung genauer untersuchen lassen. Der Befund: Die Gabel war eindeutig mit Hilfe einer Chemikalie zum Brechen gebracht worden. Experten sagen: Auch bei dem Löffel, den Geller nun in Jauchs Show zerbrach, wandte er einen Trick an. Vermutlich war er präpariert.

Und was ist mit den Löffeln bei den Leuten zu Hause? „Ich habe auch schon Löffel verbogen“, sagt Mark Schmidt, Vorsitzender der Gesellschaft zur Untersuchung von Parawissenschaften. „Beim Eisessen zum Beispiel.“ Schmidt meint: Erst wenn wir hingehen und nachgucken, fällt uns auf, dass das eine oder andere Besteckstück verbogen ist – nun aber schreiben wir es Gellers Kräften zu. Darüber hinaus gebe es unter fast sechs Millionen Zuschauern natürlich auch den einen oder anderen „Spinner“.

In einer US-Studie haben Forscher „kaputte“ Uhren in die Hand genommen, sie gewärmt, geschüttelt, und siehe da: Rund 60 von 100 Uhren fingen, ganz ohne Gellers paranormale Präsenz, wieder an zu ticken. Und was Blüms DVD-Player betrifft: Elektronische Geräte hapern gelegentlich, und vor allem der ruft an, bei dem etwas plötzlich wieder klappt. „Jeder seiner Effekte wird seit 30 Jahren vorgeführt“, sagt Schmidt. „Und jeder von ihnen ist erklärbar.“

www.skeptiker.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false