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Medien: Wer hat noch nicht, wer...

Schleichwerbung auch bei Sat1? ARD-Programmchef akzeptiert mehr Aufsicht

Die Leitlinien zur Sicherung der journalistischen Unabhängigkeit in der Axel Springer AG sind eindeutig: „Die Journalisten stellen gemeinsam mit dem Verlag sicher, daß eine Trennung von Anzeigen und Redaktion gewahrt wird.“ Kein Springer-Mitarbeiter zweifelt daran, dass dieses Reglement von dem Tag an gelten wird, an dem der Zeitungskonzern auch den Fernsehkonzern ProSiebenSat1 Media AG beherrschen wird. Spätestens dann sollte ein Fall von illegaler Schleichwerbung verhindert sein, wie ihn die „Süddeutsche Zeitung“ offenbar bei Sat1 aufgedeckt hat. Danach hat der Berliner Privatsender seit fünf Jahren im Frühstücks-TV und im Vorabendprogramm Beiträge ausgestrahlt, für die vor allem Pharma- und Finanzkonzerne gezahlt hätten. Der Gesamtumsatz aus den illegalen Geschäften soll bei mehr als einer Million Euro gelegen haben.

Katja Pichler, die Sprecherin der ProSiebenSat1 Media AG sagte, der Konzern könne am Donnerstag noch keine Erklärung zu dem Vorgang abgeben. Die Vorwürfe würden auf Vorstandsebene geprüft, „wir nehmen das alles sehr ernst“. Nach der Untersuchung werde man über die Ergebnisse beraten.

Das Geld ist den Angaben zufolge an das Produktionsunternehmen Connect-TV in der Schweiz gegangen, die Hälfte davon habe diese Firma an Sat1 weitergeleitet. In internen Unterlagen der vergangenen fünf Jahre seien 130 gesponserte Beiträge und Interviews dokumentiert. Der frühere Sat-1-Geschäftsführer Jürgen Doetz sagte der Zeitung: „Dass Geld für Beiträge geflossen ist, das ist klar.“ Laut Medienbericht ist in den Geschäftsbüchern der eigentliche Zweck für die Zahlungen aus der Schweiz nicht aufgetaucht, sondern verschleiert worden.

Zu den Auftraggebern gehörten Arzneimittelhersteller wie Klosterfrau, die Autofirma Pit Stop oder der Finanzdienstleister AWD. Der Preis für „wohlwollende Berichte“ oder die Platzierung von firmeneigenen Experten soll im Schnitt bei 20000 Euro liegen.

Die für Sat1 zuständige Landeszentrale für private Rundfunkveranstalter (LPR) in Ludwigshafen hat ein Verfahren eingeleitet. LPR-Direktor Manfred Helmes sagte, am dieses Verfahrens könne ein Ordnungswidrigkeitsbescheid in Höhe von maximal 500000 Euro stehen. Die LPR habe das Sat-1-Frühstücksfernsehen in diesem Jahr bereits zweimal im Visier gehabt, einmal sei eine Beanstandung, einmal eine Abmahnung erteilt worden.

Der Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck, sagte, der Fall zeige, „wie skrupellos manche Fernsehmacher versuchen, ihr Publikum zu manipulieren.“ Andere Medienpolitiker forderten, gegen die privaten Sender müsse genauso streng vorgegangen werden wie gegen die öffentlich-rechtlichen.

Zuletzt sorgte die ARD wegen Schleichwerbung für Aufsehen. In „Tatort“-Krimis oder Soaps wie „Marienhof“ (siehe Tagesspiegel vom 29. September) wurden diverse Fälle von illegalem Product Placement nachgewiesen. ARD-Programmdirektor Günter Struve mahnte bei einem Vortrag zum Thema „Versinkt die ARD im Sumpf?“ am Mittwochabend in Berlin einen differenzierten Umgang mit dem Skandal an. Natürlich bestehe Handlungsbedarf, damit Product-, aber auch Themenplacement (das Struve für „viel gefährlicher“ hält) künftig keine Chance mehr in ARD-Sendungen haben. Allerdings gebe es keinen Grund für die ARD-Chefetagen, „beim täglichen Canossa-Gang die Zusammenhänge aus den Augen verlieren“. Es handle sich um kein ARD-spezifisches, geschweige denn um ein internes Problem: Für alle bekannt gewordenen Vorfälle seien externe Produktionsfirmen verantwortlich gewesen, so Struve: „Die Betrogenen waren wir.“ Einen Generalverdacht gegenüber Auftragsproduzenten nannte er aber falsch, er sprach von einem „Zufall“.

Schleichwerbung nütze den Sendern auf Dauer nicht, sondern füge ihnen im Gegenteil Schaden zu, sagte Struve mit Blick auf die Werbekunden: „Wer in den redaktionellen Teil reinkommen kann, bucht doch keine reguläre Werbung mehr“. Nicht der ARD seien die illegalen „Produktionsbeihilfen“ zugute gekommen, sondern die verantwortlichen Produktionsfirmen hätten sich diese in die Tasche gesteckt. Um sich künftig abzusichern, will die ARD die Verträge mit externen Produzenten verschärfen. Auch innerhalb der ARD werde es Änderungen geben. Struve bestätigte Gerüchte, wonach die Aufsicht über die ARD-Programmdirektion verstärkt werden solle. Ihm sei das recht, denn Aufsicht bedeute „ja auch Schutz“. Eine Clearing-Stelle, die Sendungen auf Schleichwerbung untersucht, hat die ARD bereits eingerichtet.

Ganz ausschließen könne man nie, dass jemand die Hand aufhalte, sagte Struve. Sicher sei aber: „Die nächsten drei Jahre tut das keiner.“

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