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Medien: "Wer wird Millionär?": Jeder kann gewinnen

Deutschland hat 2000 zwei Millionäre mehr bekommen. Dank des Fernsehens.

Deutschland hat 2000 zwei Millionäre mehr bekommen. Dank des Fernsehens. Erst war da "Big Brother"-Zlatko, der trotz gravierender Bildungslücken sehr viel Geld verdienen konnte. Dann kam der rundum informierte Geschichtsprofessor Eckhard Freise in das RTL-Quiz "Wer wird Millionär?" und wurde mit einer siebenstelligen Summe belohnt. Jetzt gleitet die Container-Show in die Versenkung, während die Quiz-Show von einer Rekordquote zur nächsten eilt. Die letzte Ausgabe am Dienstag verfolgten 12,37 Millionen Zuschauer. Eine gigantische Zahl. Das Privatfernsehen, ausgerechnet, belohnt Wissen, und es söhnt mit mancher Verirrung in der Programmsparte "Krasser, platter, trashiger" aus. Beim Quiz ist noch kein Zuschauer dümmer raus als rein gegangen.

"Wer wird Millionär?" ist die Fernsehsendung des Jahres. Die Chance zum Geldgewinn, "Trivial Pursuit"-Fragen, Joker und die Leistungsschau von Kandidaten sind zu einer raffinierten, spannungsgeladenen Fernsehdramaturgie gemischt. Die Mitspieler sind so attraktiv, so prominent wie du und ich. Nasen dürfen krumm sein, Haare stehen zu Berge, das Outfit ist zerknittert bis gewagt. In der Mehrzahl reüssieren die Kandidaten mit Schul- und Alltags-Wissen. Ihre Bewährungsprobe läuft nicht zwangsläufig auf den Akademiker als Abräumer hinaus, und das ist gerecht. So wenig ein Fragekanon erkennbar ist, so wenig wird der vermaledeite Bildungskanon strapaziert. Wissen ist Macht, jawohl, und Nicht-Wissen macht im Vergleich zu "Big Brother" nicht reich.

"Wer wird Millionär?" ist der Beitrag, der im heutigen Format-Fernsehen - eine Sendung wird millimetergenau auf eine Zielgruppe zugeschnitten - jedes Zuschauerformat sprengt. Alle schalten ein, egal, ob sich der Einzelne am potenziellen Millionär, am abgefragten Wissen oder an der Spannung berauscht. Der Normal-Zuschauer hat sein Vergnügen, er kann gönnen, und er kann missgönnen. Auf den Studiostühlen sitzen seine Stellvertreter. Was weiß der Kandidat, was weiß ich? Wie würde ich agieren: Rausgehen bei 32 000 Mark Gewinn oder weitermachen? "Wer wird Millionär?" ist interaktives Fernsehen par excellence.

Wer sich umhört, der lernt, dass die Quiz-Show von Erwachsenen und Kindern verfolgt wird. Zunächst eine Folge der Fragen, dann ein Resultät des Prädikats "Familienfreundlich". Zu Schaden kommt kein Kandidat, allenfalls blamiert er sich ein bisschen. "Wer wird Millionär?" ist eine Fernsehzone frei von Häme, Zoten, Blödheiten. Keineswegs harmlos, schließlich unterwerfen sich am Geld interessierte Menschen einer Extremsituation, keinesfalls bedrohlich, weil nur das Gehirn strapaziert wird.

"Wer wird Millionär?" ist die Sendung des Moderators Günther Jauch. Der hat bei Hans Joachim Kulenkampff genau hingesehen. "Kuli" hat bei "Einer wird gewinnen" die Kandidaten begleitet, kommentiert, ermutigt. Nichts anderes tut Jauch, nur spielt er noch stärker mit den Kandidaten und ihrer Situation. Am schlimmsten wird es, wenn der Moderator eine Antwort in Frage stellt, zögert, nachhakt, mehr verunsichert als versichert. Da läuft ein Frage-Krimi ab. Je mehr sich die Kandidaten an die Millionen-Mark-Frage heranarbeiten, desto weiter rückt der Zuschauer an den Couchrand vor.

Eckhard Freise hat seine Millionen-Antwort mit den Worten "Ich riskiere den Heldentod" eingeleitet. Er ist ihn nicht gestorben. Und wenn er ihn gestorben wäre, dann unblutig. Besser kann Fernsehunterhaltung nicht ausgehen.

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