zum Hauptinhalt
Der Screenshot-Beweis: Viele Unternehmen wissen gar nicht, wo überall im Netz ihre Werbung erscheint. BMW will mit „Breitbart News“ nichts zu tun haben.

© Twitter

Werbe-Boykott gegen Fake-News: Über 600 Firmen wollen von "Breitbart News" nichts wissen

Wenn's ums Geld geht: Werbetreibende Unternehmen sind darauf bedacht, mit ihrer Werbung im richtigen Umfeld zu erscheinen. "Breitbart News" und andere Fake-News-Verbreiter gehören für sie nicht dazu.

Im Winter kann man leicht ausrutschen – auch als Automobilhersteller. „Wissen Sie, dass Ihre Werbung Fake-News-Webseiten finanziert?“, schrieb die Twitter-Gemeinschaft „Sleeping Giants“ an BMW und hängte an den Tweet einen Screenshot der Webseite von „Breitbart News“. Ganz oben, auf dem prominentesten Werbeplatz, befand sich eine Anzeige für BMW-Winteraccessoires. Es brauchte zwar noch einen zweiten Hinweis der „Sleeping Giants“, bis BMW reagierte, doch dann zog der Automobilbauer die Online-Anzeige zurück. „Wir definieren für uns ein Umfeld, in dem wir unsere Werbung sehen wollen. Die Seite ,Breitbart News‘ gehört nicht dazu“, begründete Unternehmenssprecher Bernhard Ederer gegenüber dem Tagesspiegel diesen Schritt. Breitbart.com hat im US-Wahlkampf Donald Trump unterstützt und gilt als einer der größten Verbreiter von Falschmeldungen.

Online-Anzeigen werden für die Werbetreibenden immer wichtiger. BMW wird Ende Januar seine Werbekampagne für den neuen 5er starten, der im Februar auf den Markt kommt. „Im Media-Mix wird der Anteil für Online-Werbung so groß sein wie nie zuvor“, kündigte Ederer an. Umso wichtiger ist es, nicht im falschen Umfeld zu werben. „Das kann sehr schnell emotional werden“, weiß der BMW-Sprecher. Doch da gibt es ein großes Problem. Während der Anteil der Online-Werbung stetig steigt, sinken zugleich die Preise, die für Werbeschaltungen gezahlt werden. Die Werbebranche reagiert mit Programmatic Advertising. Smarte Algorithmen gepaart mit aussagekräftigen Nutzerdaten sollen individuell zu jedem Zeitpunkt die richtige Werbung und den richtigen Empfänger der Botschaft zusammenbringen, so lautet die Hoffnung der Branche. Programmatic Advertising wird bereits als das „neue Betriebssystem der Werbung“ bezeichnet.

Programmatic Advertising umprogrammieren

Doch wie jede Programmierung kann auch die automatisierte Werbung Bugs und Fehler enthalten, die dann selbst Unternehmen wie BMW oder Lufthansa in Bedrängnis bringen. Aber Programme lassen sich auch umprogrammieren. Genau darauf setzen die Aktivisten von „Sleeping Giants“. Denn die Unternehmen wollen neue Produkte verkaufen, um das Image der eigenen Marke zu steigern und eben nicht zu schwächen.

Wie wichtig der Markenschutz in Zeiten von automatisierter Werbung ist, zeigen auch die Anstrengungen des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft, der erst vor wenigen Wochen einen „Code of Conduct“ verabschiedet hat, um für Werbetreibende und Werbeplattformen einheitliche Standards festzulegen. Transparenz, Qualität und Sicherheit im Programmatic Advertising sind die Ziele der Übereinkunft. Über 40 Unternehmen der Branche haben die Selbstverpflichtung unterzeichnet. Ein Beschwerdeausschuss soll die Einhaltung der Regeln sicherstellen. Es ist zwar nicht das erklärte Ziel der Selbstverpflichtung, explizit Werbung auf Seiten wie Breitbart.com zu verhindern. Doch indem die Anzeigenkunden erfahren, dass sie auf einer solchen Plattform werben, wird genau dies erreicht.

Die Initiative „Sleeping Giants“ fordert die Werbekunden auf, Seiten wie Breitbart.com auf eine schwarze Liste zu setzen. Von Blacklists, mit denen spezielle Seiten ausgeschlossen werden, hält man bei BMW nicht viel. Täglich kämen neue Seiten hinzu, die auf eine solche Liste gehörten. „Das wäre eine Sisyphosarbeit“. Der Automobilbauer arbeitet dagegen daran, Regeln, im welchem Umfeld die Werbung positioniert werden soll, möglichst genau zu definieren. „Das ist eine Wissenschaft für sich“, so Ederer.

Die automatisierte Werbeausspielung kann jedoch nicht nur für große Marken zum Problem werden, sondern genauso für die Webseiten, die das sogenannte Werbe-Inventar – also die Werbeplätze – bereitstellen. Viele Webseiten legen großen Wert darauf, dass bei ihnen Parteien wie die AfD oder Bewegungen wie „Die Identitären“ nicht werben. Um dies zu verhindern, werden entsprechende Regeln für das Online-Werbesystem definiert. Doch diese greifen ins Leere, wenn die Identität verschleiert wird. Die Anzeigen können somit erst im Nachhinein entfernt werden. „Schwarze Schafe kann man nie ganz ausschließen, aber der ,Code of Conduct‘ liefert ein hohes Maß an Sicherheit“, sagt dazu BVDW-Sprecher Tim Sausen.

Schwer zu toppen

Im Werbeverzicht bei Breitbart.com und anderen Verbreitern von Fake-News erkennen viele Unternehmen indes eine Chance, ihr gutes Image zu behalten. Nach zwei Monaten haben die „Sleeping Giants“ eine Zwischenbilanz gezogen: 38 000 Follower und 610 Unternehmen, die nicht mehr bei Breitbart werben, sind das Ergebnis. Als am Samstag zuerst Nespresso und dann Daimler Benz den Werbeverzicht bei Breitbart bestätigten, schrieben die Aktivisten: „Das ist schwer zu toppen. Versuchen wir es.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false