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Christoph Maria Herbst als Stromberg.

© Pro 7

Werbung: Der große Hunger

Show, Fernsehfilm, Computerspiel, verdächtig viel Milchreis löffeln in einer beliebten Serie: Ist es möglich, dass Werbung als angenehm empfunden wird?

„Stromberg“-Fans wissen es längst: Das Büro-Ekel von Pro 7 hat eine neue Schwäche. Die heißt nicht Jenny, sondern hat etwas mit kleinem Hunger zu tun. Stromberg löffelt in der aktuellen, fünften Staffel verdächtig oft Milchreis einer ganz bestimmten Marke und plaudert sogar noch gerne darüber. In der letzten Folge der fünften Staffel, die am Dienstag ausgestrahlt wird, steht Stromberg alias Christoph Maria Herbst vor Milchreisbechern und fragt: „Kann ja Werbung machen – was meinst du, was die zahlen?“

Schlau gemachte TV-Werbung, unverschämt dreist oder beides? So ganz genau scheinen es auch diejenigen nicht zu wissen, die in dieser Woche über gelungene Markenkommunikation beim „Branded Entertainment“-Workshop in der Bertelsmann-Repräsentanz debattierten und dabei erst mal übereinkommen mussten, was dieser neue Werberbegriff – „Branded Entertainment“ – denn bedeutet. Von „Branded Entertainment“ spricht man, wenn die Handlung eines Films, einer Fernsehserie oder eines Spiels primär den Zweck erfüllt, bestimmte Produkte in Szene zu setzen. Oder anders herum gesehen: Wenn es den globalen Unternehmen gelingt, ihre Marken mit der Pop- und Medienkultur zu verschmelzen, wie zum Beispiel im Falle von Luxus-Autofirmen mit den James-Bond-Filmen.

Werden bei Produktplatzierungen die Produkte lediglich visuell in den entsprechenden Medieninhalt platziert, wie seinerzeit beim Schleichwerbeskandal in der ARD-Vorabendserie „Marienhof“, findet bei „Branded Entertainment“ eine echte Integration des Produktes in die Handlung statt. Am Ende gehe es darum, sagt Marcel Mohaupt von Seven Senses, dem Unternehmen der Pro-Sieben-Sat-1- Group für digitales Fernsehen, Inhalte zu produzieren, die so unterhaltsam sind, dass der Konsument die integrierten werblichen Botschaften nicht als störend empfindet und sogar positiv, eben unterhaltend, mit annimmt.

Die gute, alte Werbung im Fernsehen – all zu oft wird sie als Störung empfunden. Jüngstes Beispiel: Thomas Gottschalk, dessen neue Show im ARD-Vorabendprogramm vor allem zum Start am Montag von Spots quasi zerhackt wurde. „Ich habe mich nur gefragt, warum wurde die Werbung so oft unterbrochen?“, lästerte Harald Schmidt. Das kann nicht im Sinne derjenigen sein, die da, reichweitenstark, für ihre Produkte werben und möglichst zufriedene Zuschauer erreichen wollen.

Product Placement: Die Sache mit "dem kleinen Hunger"

Kreativität ist gefragt. Nur nicht zu viel. „Die ARD richtet sich bei ihren Vermarktungsaktivitäten nach den klaren Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrags“, sagt Norbert Rüdell von ARD Sales & Services. Themen wie „Branded Entertainment“ spielten keine Rolle. „Die Trennung von Programm und Werbung ist für uns bindend. Die bei uns belegbaren Werbeformen wie Splitscreen, Solospot, klassischer Werbeblock und Sponsoring erfüllen die Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrages. So weisen wir auch bei Splitscreen-Werbung durch ein Signat deutlich auf eine Werbeschaltung hin.“

Viel vermischter ist das bei Computerspielen, weiß Moritz Holzgraefe, Referent der Verlagsgeschäftsführung Axel Springer. Bei den „Sims“ könne man sich ein Ford-Auto herunterladen, in anderen Spielen erreicht den Helden der rettende Anruf übers Handy eines finnischen Unternehmens. Vertraute Gadgets, Kosmetik- oder Snackprodukte in Fantasywelten, auch im US-Fernsehen. In der Sitcom „King of Queens“ wurde eine ganze Folge um einen iPod herum konzipiert. Normalität in einem Land, wo Medienfirmen Werbeleute anwerben und Werbeagenturen Leute aus Film, Musik, Fernsehen oder Videospiel anheuern.

Konkrete Beispiele für „Branded Entertainment“ im klassischen TV gibt es hierzulande noch nicht, nur Formen des Product Placements. Was wenige wissen: Mit der Novellierung des Rundfunkstaatsvertrages zum April 2010 können unter bestimmten Voraussetzungen Marken abseits der dafür vorgesehenen, gekennzeichneten Werbeinseln ins Programm einziehen, beispielsweise bei einer erfolgreichen, jungen RTL-Serie, in der das Café von McDonald’s zum neuen Treffpunkt der Protagonisten werden dürfte. Ein Deal, der erstaunlicherweise noch nicht zustande gekommen ist. Oder aktuell, als erlaubtes Product Placement, bei „Stromberg“ die Sache mit dem kleinen Hunger, die viele Fans verärgert hat, aber völlig legal ist. Es darf nur nicht zum Kauf animiert und es muss ein Bildschirmhinweis („unterstützt durch Produktplatzierung“) eingeblendet werden.

Gerade aufgrund der Neuen Medien gebe es zahlreiche Möglichkeiten, Marken- und Produktbotschaften in medienübergreifende Unterhaltungsformate zu integrieren, sagt Carsten Waitz von Ufa Brand Communication. Formate werden gemischt, Grenzen aufgebrochen. Mit klassischen Spots bei großen Fernsehsendern ist eben nicht mehr jedermann zu erreichen wie noch vor zehn, 15 Jahren. Das beweist auch eine ziemlich gelungene Sparkassen-Social-Media-Kampagne mit den Jung-Moderatoren  Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf. Er könne sich Winterscheidt, sagte Ivo Hoevel von Sky Marketing auf dem Workshop, auch als Testimonial, als Werbefigur für seinen Pay-TV-Sender vorstellen – wenn das Moderatorenduo bei „Wetten, dass…?“ die 15-Millionen-ZuschauerGrenze rockt.

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