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„Göttlich“ oder nur „nett“? Ein Gesichtserkennungsprogramm von der ETH Zürich bewertet Attraktivität von Menschen. Beim Test schneidet Schauspieler Ryan Gosling hervorragend ab, Supermodel Toni Garrn dagegen nur mittelmäßig.
© dpa

Gesichtserkennungsprogramme: Wie schön du bist

Ein Algorithmus kann berechnen, ob ein Mensch gut aussieht oder nicht. Manche Ergebnisse sind allerdings sehr überraschend. Das System folgt eigenen Regeln.

Schon der bösen Königin hat diese große Frage keine Ruhe gelassen. Immer und immer wieder musste sie in Grimms Märchen „Schneewittchen“ ihren Spiegel befragen, wer denn wohl die Schönste im ganzen Land ist – Pech für die Königin, dass sie dafür nicht den Algorithmus von Rasmus Rothe nutzen konnte. Der Doktorand von der ETH Zürich kann mit seinem Computerprogramm nämlich ermitteln, ob jemand „gottgleich“ aussieht – oder dem Computer nur ein „hmm“ entlockt.

Selbstverständlich kommt es einzig und allein auf die inneren Werte eines Menschen an – aber so eine völlig objektive Bewertung des eigenen Aussehens kann ja auch mal nicht schaden, denken sich die mehr als acht Millionen Menschen, die innerhalb von rund sechs Wochen mehr als 40 Millionen Fotos auf faces.ethz.ch hochgeladen haben, um eine Antwort auf die Schneewittchenfrage zu bekommen.

Tatsächlich will Rothe, 26, nicht über „Hot or Not“ richten und Menschen mit der Antwort womöglich in eine Depression stürzen. Vielmehr forscht er daran, wie exakt Gesichtserkennungssoftware und tiefe neuronale Netzwerke (Deep Neural Networks) heute schon arbeiten können. Solche Bilderkennungsprogramme werden bereits jetzt eingesetzt: Facebook beispielsweise arbeitet mit Gesichtserkennungsprogrammen und schlägt Nutzern automatisch Bilder vor, in denen sie ihnen bekannte Nutzer markieren können.

Auch im Sicherheitsbereich werden Bilder und Videos mit einer solchen Software überprüft. Die Mehrheit der Deutschen steht dieser neuen Technik angeblich auch nicht skeptisch gegenüber, zumindest, wenn es um mögliche Vorteile geht, wie eine aktuelle Studie des IT-Branchenverbandes Bitkom zeigt.

Demnach kann sich ein Großteil der Befragten vorstellen, bargeldlos per Fingerabdruck, Stimmerkennung oder Iris-Scan zu bezahlen, wofür biometrische Verfahren genutzt würden. „Individuelle körperliche Merkmale machen uns einzigartig“, sagte Bitkom-Vizepräsident Ulrich Dietz. Deshalb seien sie „deutlich sicherer als Passwörter, die geknackt oder gestohlen und missbraucht werden können“.

Nicht nur für solche biometrischen Verfahren sind Gesichtserkennungsprogramme immer wichtiger. Rothe forscht im Fach „Computer Vision“, wie künstliche Intelligenz funktioniert. In seinem Versuch wollte er wissen, inwieweit einem Algorithmus beizubringen ist zu erkennen, ob ein Gesicht schön ist oder nicht.

Wie objektiv ist ein Algorithmus

Von der Schweizer-Dating-App Blinq – die ähnlich funktioniert wie Tinder – hat er dafür 20 Millionen Bewertungen für mehr als 100.000 Fotos bekommen. Mithilfe dieser Datenbasis hat sich der Algorithmus selber erarbeitet, welche Kriterien bei der Bewertung von gutem Aussehen ausschlaggebend sind – und wendet diese Kriterien nun auf die Fotos an, die auf Rothes Seite faces.ethz.ch hochgeladen werden. Dazu teilt er das geschätzte Alter sowie das Geschlecht mit.

Allerdings zeigt ein Versuch mit drei Prominenten, dass der Algorithmus seinen eigenen Regeln folgt: Schauspieler Ryan Gosling bekommt – wenig überraschend - die höchste Bewertung „godlike“, 31 Jahre ist er laut Algorithmus, tatsächlich aber 33. Nächstes Foto: Supermodel Claudia Schiffer bekommt nur die zweitbeste Bewertung „stunning“, dafür schmeichelt ihr das Programm beim Alter und schätzt sie auf 28, neun Jahre jünger, als sie auf dem Foto ist. Toni Garrn, ebenfalls Supermodel, kassiert vom Algorithmus nur ein müdes „nice“ und wird auf dem Bild auf 28 geschätzt, obwohl sie erst 23 Jahr alt ist.

Entscheidet das objektive Computerprogramm am Ende doch so subjektiv wie ein Mensch? Nein, nur kann er eben nur das bewerten, was er auf dem Bild sieht. Neben dem abgebildeten Gesicht fließen als weitere Informationen nur die Lichtverhältnisse und die Pose ein, nicht aber all die Informationen, die ein Mensch bei der Beurteilung anwenden würde.

Beispielsweise der Kontext, in dem das Bild aufgenommen wurde oder Hintergrundwissen wie die Tatsache, das Toni Garrn ein international gebuchtes Supermodel ist. Auch das Alter wird nur auf Grundlage des Bildes geschätzt. Wer also ein bisschen verkniffen schaut, hat beim Algorithmus gleich zwei, drei Jahre mehr auf dem Buckel, weil markante Eigenschaften sehr stark bewertet werden, positiv wie negativ. Dennoch ist das Programm bezüglich des Alters und Geschlechts sehr genau.

Rothe warnt ohnehin davor, dass Programm allzu ernst zu nehmen. „Schönheit ist selbstverständlich komplett subjektiv“, sagt er. Das dürfte die böse Königin aus „Schneewittchen“ dagegen völlig anders sehen.

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