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Medien: „Wir haben trainiert“

Chefredakteur Brender sieht das ZDF für Wahlsonntag mit NPD-Part gerüstet

Herr Brender, was sagt das „Politbarometer“ des ZDF: Wird die NPD am Sonntag in den Landtag von Schwerin einziehen?

Das „Politbarometer“ des ZDF wird einen Tag vor einer Wahl keine genauen Daten, sondern nur Tendenzen angeben können. Das ist eine Vereinbarung zwischen ARD und ZDF. Dass die NDP Chancen hat, über die Fünf-Prozent-Hürde zu springen, ist aber kein Geheimnis des „Politbarometers“.

Dann wird es am Wahlabend Live-Interviews mit NPD-Funktionären geben. Zittern die ZDF-Journalisten schon?

Die Journalisten des ZDF, vor allem seine Journalistinnen zittern nie. Wir haben aus den letzten Runden mit Parteienvertretern aber dazugelernt. In mehreren Workshops haben wir uns sowohl über Inhalte als auch über Verhalten und Taktiken der NPD und der Rechtsextremen kundig gemacht. Das Training von Reportern, Moderatoren und Redakteuren wird uns in die Lage versetzen, mit den Vertretern der Rechtsextremen sachkundig und situationsgemäß umzugehen.

Heißt das, dass NPD-Funktionäre die ZDF-Journalisten fit gemacht haben?

In den Workshops haben Experten, Journalisten, Aussteiger aus der rechten Szene und auch Interviewpartner ihren Teil gespielt, damit unsere Journalisten auf alle Varianten der möglichen Diskussion eingestellt sind.

Was passiert am Wahlabend, wenn der NPD-Funktionär hetzt und verhetzt?

Ich möchte zukünftige Ereignisse nicht öffentlich simulieren. Die kann man auch nicht alle in eine Choreographie schreiben. Der Moderator im Studio muss frei reagieren und entscheiden können. Im Übrigen haben sich diesmal alle demokratischen Parteien verpflichtet, nicht die Fernsehrunden zu verlassen, sondern sich der Diskussion mit der NPD zu stellen.

Die NPD darf kommen, hat sich aber zu Wohlverhalten verpflichten müssen?

Alle Parteien haben sich den Regeln einer demokratischen Fernsehdiskussion zu unterwerfen. Wer diese Regeln verletzt, wird dementsprechend auch behandelt.

Was ist eine Regelverletzung?

Hetze, Parolengebläse, verfassungswidriges Gerede, Störung der Diskussionsrunden in Stil und Form.

Und dann?

Ich möchte Situationen nicht vorwegnehmen und kann deswegen auch keine Konsequenzen ankündigen.

Was macht die NPD so richtig, dass sie mit Mandaten in Schwerin rechnen kann?

Sie nutzt die Spielräume und sie füllt das Vakuum, das ihr die demokratischen Parteien überlassen: Sie organisiert Nachhilfeunterricht, sie arbeitet in Sportvereinen, sie ist sehr aktiv im vorpolitischen Raum. Die NPD kümmert sich um die menschlichen Schicksale und kopiert damit das, was die PDS lange Zeit getan hat.

Die privaten Sender weigern sich, am Wahlsonntag Live-Interviews mit rechtsextremen Politikern zu führen. Was macht die Konkurrenz von n-tv und N 24 falsch?

Nach einer Wahl sind auch Vertreter rechtsextremer Parteien legitimiert, und es besteht die Verpflichtung der Journalisten, sie zu befragen, wie sie mit dieser Legitimation umgehen und wie sie diese in konkrete Politik umsetzen wollen.

Wird das einzige Thema, das die Medien nach der Stimmauszählung diskutieren werden, die NPD sein?

Nein, das wichtigste Thema wird die Wahlbeteiligung sein, die möglicherweise so niedrig sein wird, dass sie den Einzug der NPD in den Schweriner Landtag ermöglicht.

Mit dem Wahltag kann ja die Auseinandersetzung nicht beendet sein.

Wir haben aus der Vergangenheit gelernt. Wir lassen uns von den Rechtsextremen weder die Themen noch die Fahrpläne vorgeben. Seit Jahresbeginn haben wir kontinuierlich in allen journalistischen Formaten und in über 50 Beiträgen über die Politik, das Personal und die Arbeit rechtsextremer Parteien informiert. Das ist unsere Aufgabe: informieren, informieren, informieren. Nur Information schafft Aufklärung.

Wer informiert, macht vielleicht über Gebühr bekannt.

Das ist die alte, nicht gelöste Frage: Verschweigen oder Hochschreiben, welchen Effekt hat das eine oder das andere? Wir versuchen einen Mittelweg. Presse und Fernsehen sind weder Architekten noch Klempner gesellschaftlicher Entwicklungen – wir sind Beobachter. Vor den Wahlen sind die Parteien die zentralen Akteure, und in der Wahl ist es der Bürger. Und wir berichten über beide.

Das Interview führte Joachim Huber.

Nikolaus Brender ist Chefredakteur des Zweiten Deutschen Fernsehens in Mainz.

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